Die Analyse der DNA ausgestorbener Tiere liefert wertvolle Einblicke in die Lebenswelten der Vergangenheit. Jetzt ist es Wissenschaftlern gelungen, dieses Zeitfenster ein Stück weiter aufzustoßen. Sie isolierten mitochondriale DNA-Ketten aus den Zähnen 400.000 Jahre alter fossiler Höhlenbären und Braunbären.
Einer Arbeitsgruppe von Wissenschaftlern der Universitäten Madrid, Stockholm und Uppsala sowie des Forschungsinstituts Senckenberg mit dem Institut für Quartärpaläontologie in Weimar ist es gelungen, das Zeitfenster für die Analyse fossiler DNA um das Vierfache zu vergrößern. Bislang lag die Altersgrenze nachgewiesener DNA-Sequenzen aus fossilen Säugetierresten bei weniger als 100.000 Jahren.
Die Wissenschaftler untersuchten das Dentin, die knochenähnliche Substanz zwischen dem Zahninneren und dem äußeren Zahnschmelz, von 230.000 und 400.000 Jahre alten Zähnen. Sie stammten von Höhlenbären und Braunbären, die nordspanischen Höhle Atapuerca / Sima de los Huesos sowie aus den Thüringer Travertinvorkommen Weimar-Ehringsdorf gefunden worden waren. Außerdem wurden auch 120.000 Jahre alte Fossilien aus Weimar-Taubach analysiert. Die beprobten Funde der beiden deutschen Fossilvorkommen gehören zu den umfangreichen Weimarer Sammlungen des Forschungsinstituts Senckenberg.
Mitochondriale DNA als Analysematerial
Im Mittelpunkt der Analysen standen mitochondriale DNA-Ketten – Erbgut, das nicht im Zellkern, sondern in den „Kraftwerken“ der Zelle, den Mitochondrien vorkommt. Die Forscher untersuchten dabei kleinste Abweichungen bei den einzelnen Nucleotiden innerhalb der DNA-Sequenzen. Um eventuelle Verunreinigungen ausschließen zu können, wurden sämtliche Analysen parallel in drei verschiedenen DNA-Labors durchgeführt, in denen zuvor niemals mit Bären-DNA gearbeitet worden war.
Im DNA-Abgleich zu heutigen Vertretern der Gattung Ursus ergab die Auswertung die Abstammung des etwa zwischen 250.000 und 12.000 Jahren im westlichen Eurasien lebenden Höhlenbären (Ursus spelaeus) von der ursprünglicheren Stammform (Ursus deningeri), deren DNA aus 400.000 Jahre alten Funden analysiert werden konnte.
Neue Erkenntnisse auch über menschliche Fossilfunde
Der Nachweis von DNA-Fragmenten in Fossilfunden, die weit älter als 100.000 Jahre sind, eröffnet neue Einblicke in die Paläontologie. Aber auch die verwendete Methode, die Analyse sehr kurzer DNA-Fragmente bei besonders alter DNA gilt als wegweisend. Die Methode hat, so die Ansicht der Forscher, damit auch als aussichtsreiches Instrument erwiesen, aus Sammlungsbeständen Stammlinien und Migrationsrouten weiterer ausgestorbener Säugetiere aus dem Pleistozän zu rekonstruieren. Damit ist auch die Gewinnung von DNA aus den mehrere Jahrhundertausende alten Fossilfunden menschlicher Vorfahren aus den in die Untersuchung einbezogenen Fundstellen Atapuerca in Spanien und Weimar-Ehringsdorf in den Rahmen des Möglichen gerückt.
(Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg, 14.07.2006 – NPO)