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Neurobiologie

"Kindergarten" macht Mäusegehirn fit für Sozialverhalten

Frühkindliche Kontakte erhöhen Plastizität des Gehirns

Mäusebabys, die in "Stillgemeinschaften" aufwachsen, nehmen später rascher ihren sozialen Rang ein als Tiere, die aus einer Einzelfamilie stammen. Das belegen Experimente, die italienische Forscher auf dem Forum der Europäischen Hirnforscher in Wien präsentierten. Sie zeigen auch, dass ein plastischeres Gehirn der Schlüsselfaktor für die größere soziale Kompetenz ist.

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Frühe soziale Erfahrungen erhöhen die soziale Kompetenz und spielen so eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des Sozialverhaltens. Das belegen Untersuchungen von Dr. Igor Branchi und seinen Kollegen vom Römischen Istituto Superiore di Samità an Mäusen. Die Forscher bildeten Tiergruppen, in denen jeweils drei Mausmütter ihren Nachwuchs gemeinsam stillten und aufzogen. Die Vergleichsgruppen bestanden aus Mausmüttern, die ihren Nachwuchs alleine unter den üblichen Laborbedingungen aufzogen.

Nervenwachstumsfaktor deutlich erhöht

Die Wissenschaftler suchten in den Gehirnen der Mäuse nach einer Erklärung für die höhere soziale Kompetenz der Gruppentiere. Resultat: Bei den "Gruppenmäusen" waren bestimmte Schlüsselmoleküle des Hirnstoffwechsels um ein Vielfaches erhöht. In bestimmten Gehirnregionen fand das italienische Forscherteam deutlich erhöhte Mengen zweier so genannter Neurotrophine. Diese Substanzen fördern das Knüpfen von Verbindungen zwischen Nervenzellen. Bei den Gruppenmäusen war der Nervenwachstumsfaktor NGF um ein Fünffaches, der kurz BDNF genannte brain-derived neurotrophic factor um ein Achtfaches erhöht.

Zusammenhang auch beim Menschen?

Aus diesen Ergebnissen schließen die Forscher, dass die in der Gruppe aufgewachsenen Tiere ein plastischeres Gehirn besitzen als ihre Artgenossen aus "normalen" Mäusefamilien. Dies bedeutet, dass das Gehirn effektiver Verbindungen zwischen Nervenzellen aufbauen oder verändern kann. Beim Menschen gilt die Plastizität des Denkorgans als entscheidende Voraaussetzung für Lernen und Gedächtnis. "Diese Ergebnisse legen nahe", sagt Branchi, "dass die Plastizität des Gehirns auch in der Entwicklung sozialer Kompetenz eine Schlüsselrolle spielt."

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Psychische Störunge aus Mangel an frühkindlichen Kontakten ?

Aus Studien an psychiatrischen Patienten wissen die Forscher, dass Erkrankungen wie Depressionen und Schizophrenie mit ungünstigen Erfahrungen in der frühen Kindheit, sowie mit niedrigen Neurotrophinspiegeln, vor allem geringeren Mengen an BDNF, assoziiert sind. Die italienischen Forscher gehen darum davon aus, dass ein Mangel an sozialen Kontakten in der frühen Kindheit die Anfälligkeit für psychiatrische Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen, Schizophrenie oder soziale Phobie erhöhen kann. An diesen Störungen leiden in den westlichen Industrienationen etwa zehn Prozent der Bevölkerung.

(Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, 12.07.2006 – NPO)

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