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Medizintechnik

„Künstliche“ Haut erklärt Infektionen

Modellsystem ermöglicht Verfolgung von Erregerinvasionen

Infektion rekonstituierter Haut mit Candida albicans © Fraunhofer IGB

Aus menschlichen Hautzellen haben Fraunhofer-Forscher ein Infektionsmodell für das Labor entwickelt, mit dem die Ansteckungsgefahr durch den Pilz Candida albicans untersucht werden kann. Diese „künstlicher“ Haut soll aber
auch bei anderen Krankheitserregern wie Bakterien, Viren oder Parasiten zum Einsatz kommen.

Strategien gegen Candida albicans

Einer der häufigsten infektiösen Keime ist der auch für den Menschen gefährliche Pilz Candida albicans. Gegen viele verwendeten Medikamente ist er bereits resistent, so dass weltweit an neuen Medikamenten gegen die Pilzinfektion geforscht wird. Die Arbeitsgruppe „Genomics – Proteomics – Screening“ um Steffen Rupp am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB geht dabei den Weg, die Proteine zu suchen und zu identizieren, die für die Infektionstüchtigkeit – die Virulenz – des Pilzes verantwortlich sind. Mit Hilfe verschiedener Strategien haben die Forscher mehrere Proteine gefunden, die nur in der pathogenen Form von Candida albicans vorkommen. Um zu überprüfen, welche Rolle diese Proteine bei der Infektion wirklich spielen, werden Deletionsmutanten erzeugt, indem das Gen für das fragwürdige Protein entfernt wird.

Die so entstehenden Stämme, denen genau ein Protein fehlt, können in Studien mit Mäusen auf ihre Virulenz überprüft werden. Ein Nachteil hierbei ist jedoch, dass Mäuse in der Natur nicht von Candida-Zellen befallen werden und es unklar ist, inwieweit die Ergebnisse auf den Menschen übertragen werden können. In hausinterner Zusammenarbeit mit der Abteilung „Zellsysteme“ entwickelten die Forscher daher ein Modellsystem der menschlichen Haut, das es ermöglicht, Infektionsvorgänge von Krankheitserregern zu verfolgen und zu untersuchen.

Modell aus dermalen Fibroblasten

Das Modell wird aufgebaut aus dermalen Fibroblasten, die – eingebettet in eine Biomatrix aus gewebetypischen Matrixproteinen – die Grundlage für die darauf ausgesäten Keratinozyten bilden. Nach mehrwöchiger Kulturdauer differenzieren die Keratinozyten zu einer mehrschichtigen Epidermis mit abschließender Hornschicht (Stratum corneum). Das Modell weist organspezifische Eigenschaften auf und eignet sich zur Erforschung von Erkrankungen, die durch Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien und sogar Viren und Parasiten hervorgerufen werden. Auch ein Modellsystem des menschlichen Dickdarms, bestehend aus humanen, malignen Enterozyten und Fibroblasten, haben die Forscher bereits entwickelt.

Während sich das Hautmodell besser für Invasionsstudien eignet, können mit dem Darmmodell insbesondere Adhäsionsvorgänge untersucht werden. „Wir haben mit Hilfe dieser in-vitro-Assays Proteine identifiziert, die für die Hyphenbildung von Candida albicans und die Infektion des Gewebes notwendig sind“, sagt Wissenschaftler Rupp. Die Hyphen ermöglichen dem Pilz, in Organe einzuwandern und aus Immunzellen zu entkommen. „Die an der Hyphenbildung beteiligten Proteine sind für die Pathogenität des Pilzes essenziell und somit ideale Zielmoleküle für eine medikamentöse Blockierung“, so Rupp.

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Forscher bestimmen Rolle einzelner Proteine bei der Infektion Die in-vitro-Modelle erlauben Einblicke in zentrale Mechanismen der Virulenz, die mit Tierversuchen nur schwer erzielt werden können: So kann die Adhäsion der Erreger an die Wirtszellen und die anschließende Invasion oder Penetration der Zellen genau verfolgt werden – also die Rolle einzelner Proteine bei der Infektion bestimmt werden. „Die Modelle ergänzen so Tierversuche oder helfen, sie zu vermeiden. Darüber hinaus können sie auch für die Wirkstoffsuche eingesetzt werden“ sagt Hans-Georg Eckert, Leiter der Abteilung „Zellsysteme“. Derzeit entwickeln die Forscher ein Hautmodell für die Krebsforschung, mit dem z. B. der Einfluss von Wachstumsfaktoren auf das Invasionsverhalten von Hauttumoren oder die Wirksamkeit möglicher Tumortherapeutika untersucht werden können.

(idw – Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, 15.03.2004 – DLO)

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