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Umwelt

Sauerstoff kann tödlich sein

Unterversorgung schützt bei ARDS vor gefährlicher Entzündung

Lungenpatienten erhalten oft Sauerstoff um die Atmung zu unterstützen. Doch diese erhöhte Sauerstoffzufuhr kann bei bestimmten schweren Lungenerkrankungen auch schädlich sein. Für diese Erkentnnis und Lösungen gegen diesen Effekt wurde ein Münchener Mediziner jetzt mit dem Georg Heberer Award 2006 ausgezeichnet.

Es ist bekannt, dass das Immunsystem in manchen Fällen exzessiv reagiert: Dann löst die Vernichtung von Krankheitserregern eine unkontrollierte Entzündungsreaktion aus, die wiederum Gewebe und Organe schädigen kann. Wie ein Forscherteam unter der Leitung von Professor Dr. Manfred Thiel, Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, zeigen konnte, beruht die Hemmung der aktivierten Immunzellen auf einem Molekül namens Adenosin und den dazu gehörigen Adenosin-A2A- Rezeptoren:

Die Schädigung von Gewebe bewirkt eine Unterversorgung mit Sauerstoff. Das wiederum löst die Bildung von Adenosin aus, das sich über die Rezeptoren an die Immunzellen anheften und diese dann deaktivieren kann. Das in diesem Zusammenhang gebildete Adenosin agiert also als eine Art Botenstoff, während die Rezeptoren als empfindliche Sensoren eines exzessiven Gewebeschadens zu sehen sind.

Test am Mäusemodell

Ausgehend von dieser Arbeit widmete sich Thiel der Frage, ob eine erhöhte Sauerstoffzufuhr in der Therapie zur besseren Versorgung des entzündeten Gewebes den schützenden Mechanismus über Adenosin eliminiert – was die Schäden erheblich steigern könnte. Diese Hypothese untersuchte er am Tiermodell des ARDS. Das schwere Leiden erfordert oft die künstliche Beatmung der Patienten bei hohen Sauerstoffkonzentrationen. Diese Anwendung ist in vielen Fällen lebensrettend, könnte aber wiederum zu einer unkontrollierten Verstärkung der Entzündung führen.

Das Forscherteam teilte die Mäuse mit akutem Lungenversagen in zwei Gruppen ein, wobei die Hälfte der Tiere einer Atmosphäre von 100 Prozent Sauerstoff ausgesetzt wurde, was der Therapie beim Menschen entspricht. Die anderen Mäuse wurden bei 21 Prozent Sauerstoff belassen. Das Ergebnis war eindeutig: In der reinen Sauerstoff-Atmosphäre starben fünfmal mehr Tiere als bei der Gruppe bei Raumluft.

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Unterversorgung schützt

Offensichtlich schützt die Unterversorgung mit Sauerstoff vor einem Fortschreiten der Entzündung durch die Aktivierung des Adenosin-A2A- Rezeptor-Signalwegs. Durch die künstliche Zufuhr von Sauerstoff wird dieser Mechanismus blockiert, und die Lunge des Patienten weiter geschädigt. Dieser Effekt aber konnte durch eine pharmakologische Stimulierung der A2A-Rezeptoren vermieden werden, so dass Adenosin trotz der hohen Sauerstoffkonzentrationen seine gewebsschützende Funktion entfaltete.

Tatsächlich konnte das durch den Sauerstoff verstärkte Lungenversagen durch die Behandlung mit einem A2A-Rezeptor aktivierenden Wirkstoff so vermindert werden, dass alle Tiere überlebten. Für diese bahnbrechende Arbeit wurde Thiel mit dem Georg Heberer Award ausgezeichnet. Denn sie könnte der Ausgangspunkt sein für eine verbesserte Therapie von ARDS-Patienten, etwa durch die Inhalation von A2A-Rezeptor-stimulierenden Substanzen, während weiter Sauerstoff zugeführt wird. Das Verständnis körpereigener Mechanismen des Gewebeschutzes ist aber auch bei anderen Entzündungserkrankungen wichtig, etwa beim septischen Schock oder dem Multiorganversagen.

Der von der US-amerikanischen Chiles Foundation, Portland, Oregon, gestiftete Preis wurde am Freitag, 30.06.2006 im Rahmen des 534. Stiftungsfestes der LMU verliehen. Der Georg Heberer Award ist mit 25.000 Euro die derzeit höchstdotierte Auszeichnung für Chirurgische Forschung in Deutschland und wird für herausragende Arbeiten auf diesem Gebiet verliehen.

(Universität München, 03.07.2006 – NPO)

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