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Astronomie

Sternen-Kreißsaal kartiert

Neue Radiokarte zeigt detaillierte Verteilung von Sternentstehungsgebieten

Das linke Bild zeigt die Verteilung des kalten Gases in der Andromedagalaxie M 31 (rechts das Sternsystem im sichtbaren Licht). Auf beiden Aufnahmen ist Norden oben und Osten links. © Nieten et al. / Tautenburg Observatorium

Wie entstehen Sterne? Eine neue Radiokarte der Andromedagalaxie könnte möglicherweise neue Antworten auf diese zentrale Frage der Astronomie liefern. Mehr als 800 Stunden lang beobachteten Wissenschaftler mithilfe der Millimeter-Radioastronomie unsere rund 2,5 Millionen Lichtjahre entfernte Nachbarmilchstraße. Das Ergebnis liegt nun in Form einer Karte vor, die das Vorkommen und die Bewegung von kaltem Gas zeigt, das als Baumaterial für die Entstehung neuer Sterne gilt.

Schon länger ist bekannt, dass die Geburtsstätten der Sonnen in kalten Gaswolken mit Temperaturen von unter minus 220 Grad Celsius liegen. Solche kosmische Brutnester bestehen vor allem aus molekularem Wasserstoff. Er sendet Strahlung im Infraroten aus, die sich mit erdgebundenen Teleskopen kaum nachweisen lässt, weil die Atmosphäre das schwache Leuchten verschluckt. Daher untersuchen die Astronomen ein anderes Molekül – das zwar viel seltener vorkommt, aber fast immer zusammen mit H2 auftritt: Kohlenmonoxid. Das Molekül hat eine helle Spektrallinie bei 2,6 Millimeter Wellenlänge und gilt als Indikator für günstige Bedingungen, unter denen neue Sterne und Planeten entstehen können.

Ungelöste Rätsel

Seit langem untersuchen Astronomen daher die Häufigkeit von Kohlenmonoxid in unserem eigenen Milchstraßensystem. Viele Fragen sind jedoch noch offen: Wie entsteht das stellare Baumaterial? Stammt das molekulare Gas aus einem Vorrat aus der Frühzeit der Galaxis, oder kann es sich aus dem wärmeren atomaren Gas bilden? Kollabiert eine Gaswolke spontan, oder braucht sie einen Anstoß von außen? Da wir uns inmitten der Scheibe unserer Galaxis befinden, fällt es schwer, den nötigen Überblick zu gewinnen. Ein Blick von außen tut Not – und dabei leistet die Andromedagalaxie wichtige Nachbarschaftshilfe.

Im Jahr 1995 begann daher ein Team von Radioastronomen am Institut de Radioastronomie Millimétrique (IRAM) in Grenoble und am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn mit dem ehrgeizigen Projekt, die komplette Andromedagalaxie in der Kohlenmonoxid-Linie mit dem 30-Meter-Teleskop des IRAM auf dem 2.970 Meter hohen Pico Veleta bei Granada zu kartieren.

Andromeda im Visier

Das Sternsystem mit der Katalognummer M 31 im Bild Andromeda besteht wie unsere Galaxis aus vielen hundert Milliarden Sternen. Mit etwa 2,5 Millionen Lichtjahren Entfernung ist M 31 die uns nächst gelegene Spiralgalaxie. Am Himmel nimmt sie einen Winkel von fast fünf Grad ein und erscheint schon dem bloßen Auge als diffuses Wölkchen. Von der Erde aus sehen wir fast auf die Kante der Scheibe, in der sich das meiste Gas und die meisten Sterne befinden.

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Die genaue Lage der Linie des CO im Spektrum gibt Aufschluss über die Bewegung des kalten Gases: Kommt es auf uns zu, ist die Linie zu kürzeren Wellenlängen verschoben, bewegt es sich von uns weg, verschiebt sich die Spektrallinie zu größeren Wellenlängen (Doppler-Effekt). Nach mehr als 800 Stunden Teleskopzeit sowie nach ausführlicher Bearbeitung und Datenanalyse wurde die Karte der Verteilung des kalten Gases nun veröffentlicht.

Erstaunlich filigrane Spiralarmen

Das kalte Gas in der Andromedagalaxie konzentriert sich in erstaunlich filigranen Spiralarmen, die auffälligsten in einem Abstand von 25.000 bis 40.000 Lichtjahren vom Zentrum entfernt. Weiter innen, wo die Hauptmasse der alten Sterne liegt, treten die Spiralarme viel schwächer hervor, weiter außen fehlen sie nahezu ganz. Infolge der starken Neigung der Galaxie gegen die Sichtlinie von etwa 78 Grad scheinen die hellsten Spiralarme eine riesige Ellipse mit einer Hauptachse von zwei Grad zu bilden.

Die Geschwindigkeitsverteilung des molekularen Gases (CO) in der Andromedagalaxie. © Nieten et al.

Die Karte der Geschwindigkeiten liefert die Momentaufnahme eines gigantischen Feuerrads: Auf der einen Seite (im Süden, links) bewegt sich das Gas mit rund 500 Kilometern pro Sekunde auf uns zu (blau), auf der gegenüberliegenden Seite (im Norden, rechts) nur mit 100 Kilometern pro Sekunde (rot). Zwei Geschwindigkeiten addieren sich hier: Global gesehen, bewegt sich M 31 mit rund 300 Kilometern pro Sekunde auf uns zu und wird in etwa zwei Milliarden Jahren sehr nah an der Milchstraße vorbeiziehen. Dabei rotiert die Galaxie um ihre zentrale Achse. Da die Gaswolken auf den inneren Umlaufbahnen einen kürzeren Weg zurückzulegen haben als die weiter außen gelegenen, überholen sie die äußeren Gaswolken und erzeugen damit Spiralstrukturen.

Schmale Zone der Sternbildung?

Der Unterschied zwischen der Dichte des kalten Molekülgases in den Spiralarmen und in den Zwischenarmgebieten ist enorm groß, dagegen erscheint das atomare Gas, das sich im neutralen Wasserstoff zeigt, viel gleichmäßiger verteilt. Es wird diskutiert, ob das molekulare Gas aus atomarem Gas durch Verdichtung entsteht – und zwar vorzugsweise in einer schmalen Ringzone innerhalb der Galaxie, in der auch fast die gesamte Sternbildung abläuft. Was zeichnet diese Zone vor allen anderen aus? Möglicherweise stellt der Gasring von M 31 den noch nicht verbrauchten Rest einer ursprünglich viel größeren Gasmasse dar. Vielleicht spielt auch das außergewöhnlich reguläre Magnetfeld eine Rolle, das nach Radiobeobachtungen mit dem Effelsberger 100-Meter-Teleskop fast die gleiche Form besitzt wie die CO-Spiralarme und dort die Sternbildung auslösen könnte.

Die Ringzone – und damit die "Geburtszone" für neue Sterne in unserer eigenen Galaxis – ist kleiner als die von M 31, sie reicht von etwa 10.000 bis 20.000 Lichtjahre Entfernung vom Zentrum. Trotzdem ist die Gesamtmasse an kaltem Gas in unserer Galaxis viel größer als in M 31. Da alle Galaxien ungefähr gleich alt sind, muss unser Milchstraßensystem sparsamer mit dem Rohstoff für Sterne umgegangen sein. In der Andromedagalaxie dagegen weisen die vielen alten Sterne im Zentralbereich auf eine helle Vergangenheit hin, in der die Sternbildungsrate viel höher war als heute. Jetzt ist dort fast das gesamte Gas verbraucht und die Sternproduktion zum Erliegen gekommen. Die neue Karte zeigt, wie aktiv die Andromedagalaxie bei der Sternbildung aus kalten Gaswolken war. In einigen Milliarden Jahren wird unsere Galaxis ähnlich aussehen.

(Max-Planck-Institut für Radioastronomie, 30.06.2006 – AHE)

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