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Zellbiologie

Genetischer Schalter für Zelldifferenzierung gefunden

Muskelzelle zwischen Wachstum und Spezialisierung

Tübinger Wissenschaftler haben die grundlegende Regulierung zwischen Wachstum und Spezialisierung von Muskelzellen erforscht. Sie haben eine Art genetischen Schalter entdeckt, dessen Einstellung über das in der Folge ablaufende genetische Programm entscheidet.

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Eine einzelne Zelle ist bei Maus oder Mensch nur ein winziger Bestandteil des ganzen Körpers. Doch in der zellbiologischen Forschung kann man auch eine Körperzelle als eigenes System betrachten, das Signale von außen erhält und mit Vorgängen in seinem Innern darauf reagiert. Alfred Nordheim und Dirk Hockemeyer vom Interfakultären Institut für Zellbiologie der Universität Tübingen haben die grundlegende Regulierung zwischen Wachstum einerseits und Zell-Spezialisierung andererseits an so genannten glatten Muskelzellen untersucht. Die Tübinger Forscher haben in Zusammenarbeit mit amerikanischen Wissenschaftlern eine Art molekularen Schalter entdeckt, dessen Einstellung über das in der Folge ablaufende genetische Programm in der Zelle entscheidet.

Langsam aber stark

Die glatte Muskulatur ist im Körper für die Bewegungen in Magen und Darm zuständig und baut Blut- und Lymphgefäße mit auf. Im Vergleich zu den quergestreiften Muskeln, die etwa in den Beinen Bewegungen ermöglichen, arbeitet die glatte Muskulatur langsamer, kann sich aber stärker zusammenziehen. Sie kann nicht willkürlich kontrolliert werden. Im Blutgefäß müssen die glatten Muskelzellen sich zum Weitertransport des Blutes elastisch verhalten und an unterschiedlichen Blutdruck anpassen. Wenn es zu einer Arteriosklerose, einer Arterienverkalkung kommt, kann daran auch eine Fehlfunktion der glatten Muskelzellen beteiligt sein, andere Prozesse wie Entzündungen kommen hinzu. „Es kann passieren, dass die Glattmuskelzellen am falschen Ort weiterwachsen und das Gefäß zusätzlich verstopfen“, erklärt Alfred Nordheim. Seine Untersuchungen an den Regulierungsvorgängen in der Muskelzelle gehören noch zur Grundlagenforschung. Ist jedoch klar, welche Substanzen und Mechanismen das Zellwachstum regulieren, ließe sich auch an eine medizinische Anwendung denken. Bisher werden verengte Gefäße teilweise durch einen Stent aufgedehnt. „Die Verletzung, die dadurch am Gefäß entsteht, kann fatalerweise die Muskelzellen zum Wachstum anregen. Dann besteht die Gefahr, dass die Zellen das Gefäß wieder verstopfen“, sagt Nordheim.

Eingeschränkte Genaktivität

Eine glatte Muskelzelle enthält, wie die meisten anderen Zellen auch, im Kern das gesamte Erbgut des Lebewesens. Würden allerdings all diese Gene auf einmal abgelesen und in Proteine umgesetzt, würde die Zelle aus allen Nähten platzen, der Verbrauch an Bausteinen wäre immens. Die Genaktivität wird daher streng reguliert; nur, was an Proteinen wirklich gerade gebraucht wird, wird in der Zelle hergestellt. Außer bei der Regeneration von glatten Muskelzellen in den Organen sind diese Vorgänge auch in der Embryonalentwicklung von Bedeutung. Die Gene befinden sich auf langen DNA-Molekülen im Zellkern. Dort gibt es außerdem Regulationsbereiche, an die so genannte Transkriptionsfaktoren binden können, die dann das Ablesen der Gensequenz auslösen können oder diesen Vorgang hemmen.

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Differenzierung glatter Muskelzellen

Es war schon seit vielen Jahren bekannt, dass der so genannte Serum Response Factor (SRF) Gene aktiviert, die zur Differenzierung von glatten Muskelzellen führen. Alfred Nordheim hatte außerdem entdeckt, dass sich der Serum Response Factor mit einem weiteren Protein, einem Ternärkomplexfaktor (ternary complex factor, TCF), verbinden muss, um im Zellkern aktiv zu werden. „Allerdings kommen SRFs nicht nur in glatten Muskelzellen vor, sondern auch in vielen anderen Zelltypen. Wir wollten daher wissen, was genau in den Muskelzellen passiert“, sagt Nordheim. Nun entdeckten die Forscher, dass die SRFs als weiteren Partner Myocardin benötigen, um die Ablesung der Gene zur Differenzierung in eine Muskelzelle auszulösen. Myocardin ist also ein solcher Ternärkomplexfaktor, ein anderer das von Nordheim entdeckte Elk-1 Protein.

Myocardin und Elk-1 haben sich jetzt als molekulare Gegenspieler herausgestellt: „Der SRF liegt wie eine Landeplattform im Regulationsbereich der DNA. Wenn Myocardin dort bindet, werden die Gene zur Differenzierung der Zelle abgelesen. Wird das Myocardin aber durch Elk-1 von seiner Bindungsstelle am SRF verdrängt, werden die Gene zum Wachstum und der späteren Teilung der Zelle aktiviert. Die beiden Proteine bilden zusammen eine Art Schalter“, erklärt Nordheim. Dieser komplizierte Schalter ist nur ein Teil einer ganzen Signalkaskade, die ausgelöst wird, wenn in der Embryonalentwicklung Differenzierungsfaktoren außen an der Zelle andocken oder – bei stärker differenzierten Zellen – Wachstumsfaktoren. Auch Alfred Nordheim ist daher gespannt, ob damit der Mechanismus geklärt ist, durch den glatte Muskelzellen in einer Fehlregulation zur krankhaften Verengung von Blutgefäßen beitragen. Doch dafür sind noch weitere Forschungen nötig.

(Pressetext Europe, 12.03.2004 – AHE)

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