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Archäologie

Mythos um Etrusker-Nachfahren widerlegt

Genetischer Test schließt Bewohner der Toskana als Nachkommen aus

Etruskischer Sarkopharg aus Terrakotta © IMSI MAsterClips

Die Bewohner der Toskana rühmen sich gerne, die Nachkommen des rätselhaften Volks der Etrusker zu sein. Doch jetzt müssen sie sich von einer neuen, statistisch-genetischen Untersuchung eines Besseren belehren lassen: Auf ihrer Basis schließen Wissenschaftler eine genetische Verbindung zwischen dem Volk der Antike und den heutigen Bewohnern der Region kategorisch aus.

Eine Kultur gibt Rätsel auf

Die etruskische Kultur erlebte ihren Höhepunkt in Mittelitalien zwischen 800 und 200 vor Christus. „Die Etrusker unterschieden sich in Vielem von den anderen Bewohnern Italiens zu dieser Zeit“, erklärt Joanna Mountain, Professorin für anthropologische Wissenschaft an der amerikanischen Stanford Universität. „Archäologische Belege deuten darauf hin, dass sie eine nicht Indoeuropäische Sprache sprachen. Wegen ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenheiten sehen viele Gelehrte in ihnen ein Rätsel.

Auch die Ursprünge dieses Volks sind umstritten: Einige Historiker, darunter auch der antike Geschichtsschreiber Herodot vermutete sie in Kleinasien, die meisten modernen Archäologen jedoch glauben, dass sie sich lokal aus der so genannten Villanova-Kultur der Eisenzeit entwickelten. Genauso schnell, wie sie entstand, verschwand die Kultur auch wieder: Im zweiten Jahrhundert vor Christus erhielten die Etrusker von den Römern das Bürgerrecht und schon kurz darauf verschwinden alle Spuren ihrer Sprache aus den Aufzeichnungen.

Suche nach Nachfahren

Aber wer sind ihre Nachfahren? „Sehr oft akzeptieren wir die naheliegendste Erklärung für etwas“, erklärt Mountain. „Wenn wir also an einem bestimmten Ort die archäologischen Reste eines Volkes finden, ist die einfachste Erklärung, dass diese Leute die Vorfahren der heute dort lebenden sein müssen. Wie oft bekommt man schon eine Chance, dass zu überprüfen?“

Genau diese Chance hatten die Forscher der Stanford Universität, denn die Etrusker sind das einzige präklassische Kulturvolk, von dem genetische Analysen existieren. Italienische Genetiker extrahierten vor zwei Jahren mitochondriale, über die mütterliche Linie vererbte, DNA aus den Knochen von 27 in alten Grabstätten gefundenen Etruskern. Gleichzeitig untersuchten die Forscher auch die DNA von 49 heute in der Region lebenden Menschen, konnten aber mit den bisherigen Methoden nicht feststellen, wie signifikant die Unterschiede wirklich waren.

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Simulation widerlegt Abstammungstheorie

„Wir beschäftigten uns daher mit der Frage: Könnten die heutigen Toskaner die Nachfahren der Etruskischen Zivilisation sein“, erklärt Mountain. Die Forscher setzten dafür erstmals eine spezielle entwickelte Software ein, die auf der Basis der genetischen Daten eine Populationsentwicklung simuliert. Über eine Zeitspanne von 2.500 Jahren hinweg und mit verschiedenen Populationsgrößen, Wanderungsbewegungen und Selektionsmechanismen konstruierten die Wissenschaftler so unterschiedlichste Szenarien – ohne jedoch eine Übereinstimmung zwischen den archäologischen und heutigen genetischen Daten erreichen zu können.

Für die Forscher eine Überraschung: „Wir machten diese Simulationsstudie und es gab nichts, was wir tun konnten, wir konnten es einfach nicht so drehen, dass die modernen Menschen aus den Menschen der Grabstätten hervorgegangen sein konnten“, so Mountain. „Wir konnten es einfach nicht mit dem Modell der Vererbung in direkter Linie in Übereinstimmung bringen.“

Neue Rätsel aufgebracht

Die Ergebnisse deuten daraufhin, dass entweder etwas die Etrusker plötzlich aussterben ließ, oder aber, dass sie zwar weiterlebten, aber eine soziale Elite darstellten, die nichts mit den zeitgleich lebenden Vorfahren der heutigen Toskaner zu tun hatten. Die neuen Erkenntnisse stellen damit auch die häufige Vorannahme in Frage, dass die Bewohner einer Region automatisch auch die Nachkommen eines an gleicher Stelle lebenden alten Kulturvolks sein müssen. „Es weckt auch eine ganze Reihe anderer Fragen”, erklärt Mountain. „Was passierte mit den Etruskern? Für Archäologen und andere Wissenschaftler ist es faszinierend, zu untersuchen, was die Gründe für den Niedergang dieser Zivilisation gewesen sein könnten. Es könnte ziemlich abrupt geschehen sein, aber noch können wir nur raten.“

(Stanford University, 29.05.2006 – NPO)

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