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Astronomie

Neuer Doppelstern strahlt „anders“

MAGIC-Teleskop entdeckt bisher unbekannte Form hochenergetischer Gammastrahlung

Künstlerische Darstellung eines Mikroquasars. In diesem Doppelstern-System rotieren ein Neutronenstern bzw. ein Schwarzes Loch (rechts) und ein massiver gewöhnlicher Stern (links) umeinander. Durch die extreme Anziehung verliert der Stern Materie, die sich scheibenförmig um das kompakte Objekt anlagert. In Teilchenbündeln wird ein Teil der Energie mit nahezu Lichtgeschwindigkeit entlang der Rotationsachse abgestrahlt. Im Fall des jetzt beobachteten Mikroquasars LSI +61 303 liegt die Rotationsperiode der beiden Objekte bei etwa 26 Tagen. © MPI für Physik

Forscher des internationalen MAGIC-Projektes (Major Atmospheric Gamma-ray Imaging Cherenkov) haben erstmals ein Doppelsternsystem – einen so genannten Mikroquasar – entdeckt, das seine extrem energiereiche Gammastrahlung nicht gleichmäßig abgibt, sondern stark schwankend.

Zwischen Oktober 2005 und März 2006 beobachteten die Wissenschaftler mit dem MAGIC Teleskop auf La Palma den Mikroquasar LSI +61 303 zu verschiedenen Zeitpunkten seiner Umdrehungsperiode. Dabei stellten sie fest, dass sich die Strahlungsintensität periodisch veränderte, was offensichtlich mit der Umdrehungsperiode des Doppelsternsystems im Zusammenhang steht.

Die Astronomen führen die schwankende Emission hochenergetischer Gammastrahlung direkt auf die Wechselwirkung der beiden Objekte zurück. Dabei tritt das Maximum der Strahlung nicht im Augenblick des kürzesten Abstands der beiden Objekte auf, sondern erst zu einem etwas späteren Zeitpunkt, so die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe von Science Express.

Mikroquasare sind Doppelsterne, in denen sich ein gewöhnlicher massiver Stern und ein kompaktes Objekt – entweder ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch – umkreisen. Kommen sich beide ausreichend nahe, wird durch die extreme Anziehungskraft Materie von dem Stern zu dem kompakten Objekt übertragen. Dort rotiert diese zunächst in Form einer Scheibe, erhitzt sich und strahlt dabei Röntgenstrahlung aus. Ein Teil der frei werdenden Gravitationsenergie wird gebündelt entlang der Rotationsachse in so genannten ’Jets’ abgestrahlt.

Wie entstehen Jets?

Die Bildung der Jets von Mikroquasaren gleicht der von Quasaren oder ’aktiven galaktischen Kernen’. Allerdings ist das kompakte Objekt im letzteren Fall ein mehrere Millionen Sonnenmassen schweres Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie. Quasare benötigen viele Jahre zur Ausbildung der Jets und die Abstrahlung beobachtbarer Teilchen ist in erster Näherung konstant. Mikroquasare dagegen zeigen Änderungen der Strahlungsintensität in viel kürzeren Perioden und sind dadurch für wissenschaftliche Beobachtungen besonders interessant. Mikroquasare sind auch mögliche Quellen kosmischer Strahlung, ein seit nahezu 100 Jahren ungelöstes Rätsel für die Wissenschaft. Derzeit sind von Messungen im Röntgen- und Radiobereich etwa zwanzig Mikroquasare bekannt.

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Hochenergetische Gamma-Strahlung entsteht im Kosmos also nur bei Objekten, die besonders hohe Energiedichten aufweisen, wie beispielsweise Supernova-Überreste oder Quasare. Sie erreicht die Erde in extrem geringer Intensität – mit etwa einem Gammaquant pro Quadratmeter und Woche. Diese Gammaquanten zerstrahlen in der Atmosphäre in eine Vielzahl elektromagnetischer Teilchen, die über sehr kurze Zeit eine charakteristische Sekundärstrahlung erzeugen. Diese Cherenkov-Strahlung wird von Teleskopen wie dem MAGIC-Teleskop auf La Palma oder dem HESS-Teleskop in Namibia aufgefangen.

Weitere MAGIC-Beobachtungen des Mikroquasars LSI +61 303 sowie die theoretische Interpretation der gewonnenen Daten könnte nach Angaben der Forscher helfen zu verstehen, auf welche Weise hochenergetische Gammastrahlung in Mikroquasaren und in Jets im Allgemeinen erzeugt und absorbiert wird.

Das MAGIC Teleskop

MAGIC-Teleskop © MPI für Physik

MAGIC ist mit einem Spiegeldurchmesser von 17 Meter unter den Cherenkov-Teleskopen das weltweit größte. Es wurde auf La Palma, einer der Kanarischen Inseln, in den Jahren 2002 bis 2004 installiert und heute von einem internationalen Team betrieben, in dem das Max-Planck-Institut für Physik in München eine federführende Rolle einnimmt. Die Astrophysiker kommen aus Deutschland (Universität Würzburg, Humboldt-Universität Berlin, Universität Dortmund sowie Max-Planck-Institut für Physik in München), Spanien, Italien, der Schweiz, Polen, Armenien, Finnland, Bulgarien und den USA. Ein zweites Teleskop ist an gleicher Stelle im Bau, um die Empfindlichkeit der Anlage weiter zu verbessern.

Ein wichtiger Schwerpunkt des MAGIC Teleskops ist eine möglichst niedrige Energieschwelle. Sie erlaubt die Beobachtung sehr weit entfernter extragalaktischer Quellen. Denn bei weit entfernten Objekten werden die Gammastrahlen durch das überall vorhandene infrarote Hintergrundlicht absorbiert. Dieser Effekt ist bei Gammastrahlen höherer Energie wesentlich stärker als bei niedrigerer Energie. Das Universum wird somit erst bei niedrigen Gamma-Energien transparent.

Ein spezielles Merkmal der MAGIC-Teleskope ist, dass sie sich sehr schnell ausrichten lassen. Innerhalb von etwa 40 Sekunden kann jedes Objekt am Himmel angesteuert werden. Dies ist von großer Bedeutung für die Beobachtung von so genannten Gammastrahlen-Ausbrüchen (gamma ray bursts). Diese dauern nur einige wenige bis zu etwa 100 Sekunden. Sie werden zunächst von Satelliten entdeckt, die diese Information dann binnen 10 bis 20 Sekunden an die bodengestützten Observatorien weiterleiten.

(idw – MPG, 24.05.2006 – DLO)

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