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Energie

Neuer Streit um die Kernenergie

Reizthema Atomkraft 20 Jahre nach Tschernobyl

Anlässlich des 20. Jahrestags des Reaktorunglücks in Tschernobyl am 26. April 2006 ist die Diskussion über die Zukunft der Atomkraft in Deutschland wieder neu entflammt. Während die Umweltschutzorganisationen, Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und auch die Mehrheit der Deutschen weiterhin für einen Ausstieg plädieren, warnen die CDU und das Deutsche Atomforum vor einer endgültigen Abkehr von der friedlichen Nutzung der Kernenergie.

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„Tschernobyl hat uns demonstriert, dass die Atomenergie mit prinzipiellen Sicherheitsrisiken verbunden ist“, sagte der Bundesumweltminister Gabriel gestern zu Eröffnung der Tagung „Tschernobyl 1986-2006: Erfahrungen für die Zukunft". Er bezeichnete den Reaktorunfall als „tragisches Symbol der Energiewende“. „Heute stehen wir vor einer neuen energiepolitischen Herausforderung, der Bekämpfung des weltweiten Klimawandels. Atomkraft wird uns hierbei nicht helfen. Sie ist keine Zukunftstechnologie, denn sie verhindert Innovation“, betonte Gabriel.

„Wir müssen jetzt einen zukunftsfähigen Energiemix auf die Beine stellen, weitgehend unabhängig von fossilen und nuklearen Energieträgern wie Öl, Gas und Uran“, so der Bundesumweltminister weiter. Die Zukunft gehöre einer Doppelstrategie der massiven Steigerung der Effizienz, sowohl auf der Verbrauchs- wie auf der Erzeugungsseite und gleichzeitig des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren Energien. „In Zukunft werden die Kennzahlen zur Effizienz und zum Anteile der erneuerbaren Energien die Markenzeichen erfolgreicher Volkswirtschaften sein“, so Gabriel.

Kernenergie vorurteilsfrei diskutieren?

Dagegen sprach sich Walter Hohlefelder, der Präsident des Deutschen Atomforums, bei der gestrigen energie- und klimapolitischen Tagung des Bundesumweltministeriums dafür aus, das Thema Kernenergie neu, offen und vorurteilsfrei zu diskutieren. "Alle Optionen für die Energieversorgung künftiger Generationen müssen offen gehalten und weiterentwickelt werden.", sagte Hohlefelder. Zu diesen Optionen zähle auch die zukunftsfähige Kernenergie, sofern sie wie in Deutschland technisch sicher und mit einem Höchstmaß an Sicherheitskultur betrieben werde.

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"Erneuerbare Energien sind die Alternative zu Atomstrom, der aus immer älteren und damit immer unsichereren Kraftwerken stammt", sagte dagegen Johannes Lackmann, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie. "Erneuerbare Energien sind dabei so leistungsfähig, dass sie nicht nur den Atomausstieg kompensieren, sondern auch einen großen Teil der fossilen Stromerzeugung ersetzen können", sagte Lackmann. "Damit kann Deutschland sich Unabhängigkeit von unsicheren und immer teureren Energieimporten verschaffen."

Erst in der vergangenen Woche hatte der russische Gaskonzern Gazprom der Europäischen Union indirekt mit Einschränkungen bei der Gasversorgung gedroht, falls dessen Interessen in Westeuropa nicht genügend berücksichtigt würden.

„Angesichts hoher Energiepreise und der Tatsache, dass Deutschland als einzige Nation unter den zehn größten Industrieländern keine Kernkraftwerke in Planung oder Bau hat, wird die Zustimmung zu dieser Energie weiter steigen“, prognostizierte deshalb Hessens Ministerpräsident Roland Koch von der CDU.

Mehrheit der Deutschen für schnellen Atomausstieg

Unterdessen hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gestern die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage zum Thema Kernenergie vorgestellt. Danach wünschten 62 Prozent der Deutschen einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Atomkraft. Nur etwa 20 Prozent seien für eine Verlängerung der Laufzeiten. 20 Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe habe die Bevölkerung die Gefahren der Atomkraft nicht vergessen, so der BUND.

„Die Mehrheit der Deutschen erteilte erneut allen Vorstößen der Stromkonzerne nach Laufzeitverlängerungen eine klare Absage. Der Unfall von Tschernobyl hat den Menschen die unkontrollierbaren Risiken der Atomkraft schmerz­haft vor Augen geführt. Damit sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt, muss sich die Bundesregierung gegen die Interessen der Stromkonzerne durchsetzen und Rahmenbedingun­gen für den sofortigen Atomausstieg schaffen. Alles andere ist nicht verantwortbar.“, sagte Renate Backhaus, Atomexpertin im Bundesvorstand des BUND.

Im dicht besiedelten Deutschland könne ein Reaktorunfall oder ein terroristischer Anschlag auf ein Atomkraftwerk noch weit schlimmere Folgen als in Tschernobyl haben. Eine Lösung zur sicheren Aufbewahrung des Atommülls aus dem Betrieb der AKW für mindestens eine Million Jahre sei, so der BUND, ebenfalls nicht in Sicht. Jede Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken verhindere nach Auffassung des BUND zudem den dringend notwendigen Umbau der Energiewirtschaft, den verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien und eine Steigerung der Energieeffizienz.

Backhaus: „Wir fordern die großen Stromkonzerne auf, sich aus der Atomkraft zurückzuziehen. In den nächsten vier Jahren müssen mindestens vier AKW vom Netz genommen werden. Längere Lauf­zeiten wären ein Bruch des mit der Bundesregierung vereinbarten Atomkonsenses. Für eine sichere und klimaschonende Energieversorgung müssen die Energiekonzerne in erneuerbare Energien und in effiziente Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen investieren.“

(BUND, BMU, Deutsches Atomforum, Informationskampagne für Erneuerbare Energien, CDU, 25.04.2006 – DLO)

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