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Erdvermessung in der 4. Dimension

Zeit als Grundlage geodätischer Raummessverfahren

Radioteleskop der Fundamentalstation Wettzell mit 20 Meter Durchmesser © Wettzell/BKG

Ob Terminplaner, Quarzwecker oder Videorekorder: Uhren sind aus unserem Alltag kaum noch wegzudenken. Dank moderner Atomuhren lässt sich die Zeit heute sogar bis auf den trillionsten Teil einer Sekunde exakt bestimmen und ermöglichen damit auch den Betrieb des Global Positioning System (GPS). In der Vermessungstechnik gibt es jedoch neben dem GPS noch weitere Methoden, mithilfe der Zeit exakte Ortsbestimmungen vorzunehmen. An der Fundamentalstation Wettzell betreiben Wissenschaftler spezielle Radioteleskope und Lasersyteme, mit deren Hilfe sie sogar die Wanderung der Kontinente oder die Schwankungen der Erdrotation erfassen können.

„Revolutionierend für die heutigen geodätischen Messverfahren waren vor allem die Entwicklungen auf dem Gebiet der Zeitmessung und Zeithaltung“, erklärt Wolfgang Schlüter vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG). „Das GPS, dessen Satelliten mit Atomuhren ausgerüstet sind, ist hierfür sicherlich das bekannteste Beispiel, da es inzwischen auch im täglichen Leben seine Anwendung findet. Darüber hinaus haben jedoch in den letzten Jahren Messungen zu extragalaktischen Radioquellen oder zu künstlichen Erdsatelliten mit Laser grundlegend neue Kenntnisse über unsere Erde gebracht“, fügt Schlüter hinzu.

Ohne Atomuhr läuft nichts

Schlüter ist Leiter der Fundamentalstation Wettzell im bayerischen Bad Kötzting, die gemeinsam vom BKG sowie der Forschungseinrichtung Satellitengeodäsie der Technischen Universität München betrieben wird. Unter anderem beobachten die Wissenschaftler dort mit einem Radioteleskope Signale weit entfernter Sterne oder messen mithilfe eines modernsten Lasersystems, wie lange Lichtsignale von der Bodenstation zum Satelliten und zurück benötigen. „Pikosekunden genau lassen sich diese Laufzeiten dann unter Berücksichtigung der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts in Strecken mit Millimeter Genauigkeit umrechnen“, erklärt Schlüter das grundlegende Prinzip.

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Längst haben diese so genannten geodätischen Raumverfahren die klassischen Winkel- und Streckenmessungen in der globalen Messtechnik abgelöst. Atomuhren, wie sie auch zur Bestimmung der Weltzeit UTC eingesetzt werden, sind dabei die entscheidenden Taktgeber. Denn nur sie ermöglichen eine Zeitmessung auf die trillionste Sekunde und liefern somit die nötige Genauigkeit. Mithilfe dieser relativ neuen Verfahren konnten Wissenschaftler erstmals Anfang der 1980er Jahre die Bewegung der Kontinente mit geodätischen Methoden nachweisen, die Schwankungen der Erdrotation genau erfassen oder das Schwerefeld der Erde mit hoher Auflösung bestimmen.

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Sterne als „Zollstock“

In der „Very Long Baseline Interferometry“ (VLBI) werden beispielsweise Milliarden Lichtjahre entfernte Radioquellen, so genannte Quasare, von mindestens zwei und möglichst weit auseinander liegenden Radioteleskopen gleichzeitig angemessen. Dabei werden Mikrowellen empfangen, digitalisiert und zusammen mit der Zeitinformation einer Atomuhr auf Magnetbänder aufgezeichnet. Da die Radiowellen weltweit geringfügig zeitversetzt eintreffen, können die Forscher aus dieser Differenz auf die millimetergenaue Position der beteiligten Teleskope schließen.

Messprinzip des „Very Long Baseline Interferometry“ (VLBI) © Wettzell/BKG

„An einem Beobachtungstag werden bis zu 400 Quasare angemessen, was zu einer gewaltigen Datenmenge von mehreren Terabytes pro Station führt“, so Schlüter. An etwa 150 Tagen im Jahr wird in Wettzell mit dem Radioteleskop beobachtet. Ein spezieller Prozessrechner vergleicht diese Signale miteinander und ermittelt die jeweiligen Laufzeitunterschiede. „Entscheidend für die Genauigkeit der Berechnungen ist jedoch vor allem die exakte Zeitnahme vor Ort“, fügt Schlüter hinzu. So kommen Atomuhren zum Einsatz, die in einigen Millionen Jahren lediglich eine Sekunde falsch gehen. Spezielle Verfahren stellen zudem sicher, dass die Uhren auf den global verteilten Beobachtungsstationen bis auf etwa 20 Pikosekunden genau die gleiche Zeit anzeigen und somit synchron laufen.

Mithilfe des VLBI beobachten die Wissenschaftler beispielsweise die Entfernung zwischen der Fundamentalstion Wettzell und der rund 6.000 Kilometer entfernten Vergleichsstation Westford in den USA. Auf diese Weise ermitteln sie unter anderem die Driftrate der Kontinente Europa und Amerika, die sich aufgrund der Plattentektonik mit einigen Millimeter pro Jahr weiter voneinander entfernen.

(Wolfgang Schlüter/BKG, 21.04.2006 – AHE)

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