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Informatik

Computerspeicher bald in atomarer Größe?

Revolution der Speichertechnologie in Sicht

Zukünftige Computerspeicher sollen alles können: große Datenmengen speichern, schnell schalten und auch ohne Stromzufuhr die Daten sicher bewahren. Nun haben Wissenschaftler ein Konzept entwickelt, Speichereinheiten auf die Größe von lediglich einigen Atomen zu schrumpfen. Dies könnte zukünftig die Speichertechnologie revolutionieren.

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Wie die neuen Speicher-Winzlinge in einem keramischen System vereint werden könnten, hat Kristof Szot und sein Jülicher Team in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Materials beschrieben: Zunächst schrumpft Szot die Speichereinheiten auf die Größe von lediglich einigen Atomen. Mit der Spitze eines Rastersondenmikroskops kann Szot danach ihre Leitfähigkeit um viele Größenordnungen manipulieren und dadurch zwischen zwei Zuständen schnell hin und her schalten. „Dieses verlockend spannende Konzept ist die aufregende Grundlage für eine mögliche neue Speichertechnologie“, erklärt Angus Kingon von der North Carolina State University die Bedeutung dieser Entdeckung.

Heutige Speichertechnologie kaum verbesserbar

Die Entwicklung neuer Speichertechnologien scheint notwendig, da die heutigen Arbeitsspeicher, die so genannten "DRAMs", nur flüchtige Informationsspeicher sind: ihre Information geht verloren, sobald die Betriebsspannung abgeschaltet wird. Außerdem wird man den kleinen Kondensator, der als Ladungsspeicher das Herzstück einer DRAM-Zelle darstellt, kaum noch weiter verkleinern können. Die andere heutige übliche Speichertechnologie, die so genannten Flash-Speicher in Digitalkameras und MP3-Playern, sind zwar nicht-flüchtige Speicher, aber der Schreibvorgang dauert zehntausend mal länger als bei den DRAMs.

Grundlage der neuen Technik ist eine Beobachtung, die bereits in den 1970er Jahren gemacht worden war: Bestimmte Übergangsmetalloxide zeigen nach einer so genannten Formierung, wie beispielsweise einer thermischen Vorbehandlung in reduzierenden Atmosphären, einen schaltbaren Widerstandseffekt. Es blieb jedoch bis heute ungeklärt, wie das Widerstandsschalten abläuft und mit welchen Struktureigenschaften es im oxidischen Material einhergeht.

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Strontiumtitanat als Grundlage

Nun konnte Szot am Institut für Festkörperforschung des Forschungszentrums Jülich mithilfe der Rastersondenmikroskopie nachweisen, dass die Leitfähigkeit nach dem Formieren eines Einkristalls aus Strontiumtitanat nicht homogen auf der gesamten Oberfläche auftritt. Vielmehr ist sie auf ausgedehnte Gitterdefekte, insbesondere so genannte Versetzungen im Kristallgitter des Oxids, beschränkt. Die Leitfähigkeit zwischen dem Ausgang einer Versetzung an der Oberfläche und einer defektfreien Stelle nur einen Nanometer (entspricht dem 30.000stel eines Haardurchmesser) davon entfernt kann um viele Größenordnungen variieren. Und er konnte mit Hilfe einer positiven Spannung, die er an die Rastersondenspitze anlegte, die hohe Leitfähigkeit dieses Versetzungsausgangs wieder abschalten. Negative und positive Spannungen oberhalb eines Grenzwertes von etwa 2 V konnten die Leitfähigkeit der Versetzung beliebig ein- und ausschalten. Dies war offensichtlich genau der gleiche Effekt, den andere Forscher mit großen Deckelektroden als Widerstandsschaltern beobachtet hatten.

Bei der Formierung der Oxide wird offenbar zunächst eine winzig kleine Menge Sauerstoff entlang der Versetzungen in dem Kristall ausgebaut. Dadurch wird die Leitfähigkeit des Materials erhöht. Wie Gustav Bihlmeyer mit theoretischen Rechnungen auf der Basis quantenmechanischer Simulationen nachweisen konnte, bleibt die Leitfähigkeit in der Tat stark lokalisiert – so wie es experimentell beobachtet wurde. Das Schalten kann man offenbar als elektrochemischen Effekt auf der Nanoskala verstehen (also als einen Nanobatterie-Effekt), bei dem einige Sauerstoffionen verschoben werden und durch eine lokale Oxidation beziehungsweise Reduktion der Versetzung in der Nähe der Oberfläche der Zugang der Rastersondenspitze zum leitenden Innern der Versetzung unterbrochen oder wieder hergestellt wird. Aufgrund der sehr kurzen Distanzen erfolgt die Verschiebung der Ionen unter Wirkung der elektrischen Spannung außerordentlich schnell.

Weitere Forschungsarbeit notwendig

Bevor man den nun gefundenen Effekt jedoch in praktischen Speicherbauelementen einsetzen kann, sind von der Forschung jedoch zahlreiche, sehr schwierige Aufgaben zu lösen. Die Versetzungen liegen in Einkristallen und aufgewachsenen Dünnschichten statistisch verteilt vor. Für den Einsatz in Computerspeichern müssten sie jedoch sehr regelmäßig angeordnet und präzise platziert werden. Um dieses zentrale Problem zu lösen, arbeiten die Jülicher Forscher nun daran, die Wafer durch geeignete, nanometergroße Keime vorzustrukturieren und dadurch eventuell den Versetzungen vorzugeben, an welchen Stellen sie wachsen sollen. Weitere Herausforderungen betreffen die Suche nach Methoden zur massenfertigungstauglichen Herstellung geeigneter, ebenfalls nanometergroßen Unter- und Oberelektroden, die ein langzeitstabiles Schalten erlauben, sowie zur Herstellung von Leiterverbindungen auf dieser kleinen Skala.

Die Zukunft wird zeigen, inwiefern es gelingt, diese Aufgaben zu lösen und damit die Tür zu einer ganz neuen Generation von Computerspeichern aufzustoßen.

(Forschungszentrum Jülich, 12.04.2006 – AHE)

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