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Medizin

Neues Ziel beim Kampf gegen Krebs

Hemmung eines neu entdeckten Zielgens lässt Tumorzellen sterben

Forscher haben mit dem Protein Polo-like kinase 1 (Plk1) ein neues Gen entdeckt, das sich als Ziel für den Kampf gegen Krebs eignet. Plk1 bietet ideale Voraussetzungen für eine effektive Therapie gegen Tumore und damit für die Entwicklung von Medikamenten gegen Brustkrebs und andere Krebserkrankungen. Dies belegen die Ergebnisse der Wissenschaftler der Universität Frankfurt am Main über die sie in der Fachzeitschrift Nature Reviews Cancer 2006 berichten.

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Die Frankfurter Forschergruppe um Professor Dr. Klaus Strebhardt hatte in Laborversuchen entdeckt, dass das Gen Plk1 in den Organen eines Erwachsenen komplett abgeschaltet ist und sich das Genprodukt dagegen in einer Vielzahl unterschiedlicher Tumortypen in großen Mengen befindet. Strebhardt konnte erstmalig Plk1 als prognostischen Marker definieren.

Dies war für Strebhardt und sein Team der erste Hinweis dafür, dass Plk1 als mögliches Zielgen für eine Krebstherapie fungieren könnte. Denn Gene, die für die Funktion des erwachsenen Organismus benötigt werden, sind ungeeignet für die Hemmung bei einer Krebsbehandlung. Erst die Entdeckung einer strukturellen Besonderheit des Proteins Plk1 ermöglichte jedoch die computergestützte Entwicklung von passgenauen Wirkstoffen zur Hemmung des Tumorwachstums.

Polo-box als Angriffspunkt für die Entwicklung von Hemmstoffen

Plk1, das unter anderem als ein zentraler Regulator der Zellteilung fungiert, verfügt als einziges der Familie der Protein-Kinasen über eine Domäne zur Bindung von Substraten, die so genannte Polo-box-Region.

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Diese Polo-box ist einzigartig als struktureller Angriffspunkt für die Entwicklung von Hemmstoffen gegen das Wachstum von Tumorzellen. Strebhardt wertet diese Polo-box als "Idealfall" für die Entwicklung von Medikamenten.

Wirkstoffe gegen Tumore passgenau entwickeln

Die einzigartige strukturelle Eigenschaft des Proteins Polo-like kinase 1 eignet sich besonders für die Fortentwicklung gezielter Therapien gegen Tumore im Menschen, die tumorspezifische Merkmale an oder in der Zelle angreifen. So enthält das Plk1-Protein einen enzymatisch sehr wichtigen Bereich, die Kinase-Domäne, die andere Mitglieder der Kinase-Familie ebenfalls in ähnlicher Weise aufweisen.

Wirkstoffe, die sich zurzeit in klinischer Entwicklung befinden oder bereits als Medikamente zugelassen sind, hemmen dieses enzymatische Zentrum. Da jedoch die Kinase-Region in vielen anderen Kinasen in verwandter Form vorkommt, führt der Einsatz von Hemmstoffen gegen Protein-Kinasen oftmals zur Hemmung mehrerer Mitglieder der Kinase-Familie. Die Folge sind Nebenwirkungen bei Tumorpatienten, die unterschiedlich stark sein können. Daher ist der Bereich der Kinase-Region nicht ideal für die Entwicklung von Hemmstoffen. Dagegen eröffnet die Entdeckung der Polo-box die Möglichkeit, Wirkstoffe auf dieses strukturelle Merkmal hin mit der Hilfe der Kristallstruktur passgenau auszurichten.

Hemmung von Plk1: Tumorzellen töten, gesunde Zellen schonen

Die funktionelle Analyse von Plk1 durch das Team von Strebhardt hat ergeben, dass Plk1 ein zentraler Regulator der Zellteilung (Mitose) ist. Das Protein Plk1 wird für die Reifung der Zentrosomen, für die Ausbildung des Spindelapparates, die Trennung der Chromosomen und für die Trennung der bei der Mitose entstehenden Tochterzellen benötigt. Hemmt ein Medikament Plk1, ist keine Zellteilung mehr möglich.

Auch andere namhafte Forschergruppen konnten laut Strebhardt dieses Ergebnis bestätigen. Hemmt man Plk1 beispielsweise durch Antisense-Oligonukleotide, sterben Tumorzellen ab. Dies konnte das Frankfurter Forscherteam erstmalig sowohl in Zellkultur als auch in Tierexperimenten demonstrieren. Auf dem Gebiet der Krebstherapie wird dies als ein weiterer wesentlicher Meilenstein bei der Erforschung von Plk1 als Zielgen für die Krebstherapie bewertet.

Weltweit haben mehrere Forschergruppen an der Harvard University, am Massachusetts Institute of Technology in Boston (USA) und auch am Max- Planck-Institut in München andere Arten von Hemmstoffen gegen Plk1 entwickelt und eingesetzt. Diese Versuche konnten bestätigen, dass durch Hemmung von Plk1 Tumorzellen in vitro als auch in vivo absterben.

Dies gilt nicht für gesunde Zellen, die mit den Plk1-spezifischen Hemmstoffen in Kontakt gebracht werden. Diese Zellen zeigen einen kurzfristigen Wachstumsstopp und teilen sich dann wieder normal weiter. Mehrere Gruppen konnten einen tumorspezifischen Hemmeffekt demonstrieren. "Diese Beobachtung gibt Grund zur Annahme, dass Hemmstoffe gegen Plk1 in erster Linie den Tumor effizient bekämpfen, dass aber normale Zellen wenig oder kaum beeinträchtigt werden", erklärt Strebhardt.

Einsatz für die molekulare Therapie

Die pharmazeutische Industrie hat ebenfalls das Potenzial von Plk1 als Zielgen erkannt und sucht nach kleinen Molekülen (niedermolekulare Hemmstoffe), die als Medikamente gegen Plk1 eingesetzt werden könnten.

Ein Pharmaunternehmen entwickelt bereits erste Hemmstoffe (Inhibitoren) gegen Plk1 und testet diese in klinischen Versuchen an Patienten. Dabei geht es zunächst um die Verträglichkeit der Inhibitoren, aber noch nicht um die Hemmung von Krebs. Das Frankfurter Team um Strebhardt rechnet in Kürze mit Ergebnissen erster Studien. Die Frankfurter Forscher entwickeln derzeit biologische Hemmstoffe, die noch besser wirken und noch geringere Nebenwirkungen haben sollen als niedermolekulare Hemmstoffe, die chemische Wirkstoffe sind.

Diese biologischen Inhibitoren basieren auf dem Prinzip der RNA-Interferenz, für deren Entdeckung die US-Wissenschaftler Professor Dr. Craig C. Mello und Professor Dr. Andrew Z. Fire vor wenigen Tagen den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis erhalten haben. Frühzeitig war es Strebhardt und seinen Kollegen gelungen, nach dem Prinzip der RNA-Interferenz Krebsgene wie Plk1 zu hemmen. Auf diese Weise gelang es mit sehr niedrigen Konzentrationen von kurzen RNS-Molekülen, Tumorzellen abzutöten.

Ob mit dieser neuen, nach Ansicht der Frankfurter Forschergruppe sehr viel versprechenden Methode, eine neue Generation von Medikamenten geschaffen werden kann, ist eine Herausforderung, der sich Professor Strebhardt mit seinem Team stellt.

(idw – Universität Frankfurt a. M., 05.04.2006 – DLO)

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