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Zoologie

Fruchtfliegen: Ein Gen für Antennenbau und Farbensehen

Doppelfunktion des spineless-Gens aufgedeckt

Fruchtfliege © WUSTL / Ian und Dianne Duncan

Gene sind offensichtlich Meister im Rationalisieren: Bei der Fruchtfliege Drosophila haben Wissenschaftler jetzt entdeckt, dass ein einziges Gen sowohl die Entwicklung und Funktion der Antenne steuert, als auch dem Tier das Farbensehen ermöglicht. Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature veröffentlicht.

Ein Forscherteam um Claude Desplan, Professor für Biologie an der New York Universität und Ian Duncan, Biologieprofessor an der Washington Universität forscht seit mehreren Jahren über die Sinnesorgane der Fruchtfliege. Schon vor einiger Zeit entdeckte Duncan gemeinsam mit seiner Frau Dianne Duncan dabei die zentrale Rolle eines bestimmten Gens, des so genannten spineless-Gens, für die Entwicklung der Antenne, dem wichtigsten Tast- und Riechorgan der Fliege. Wird dieses Gen künstlich deaktiviert, entwickeln die Tiere statt einer Antenne ein Bein.

„Spineless spielt eine Schlüsselrolle für die Antenne und die Maxillardrüse, die beiden Haupt-Riechorgane der Fliege“, erklärt Ian Duncan. „Es ist auch entscheidend für die Sinnesborsten und Geschmacksrezeptoren an den Beinen, Flügeln und Mundwerkzeugen.“ Erst vor kurzem entdeckten die Duncans eine Beziehung zwischen spineless und einem Gen namens Homothorax fest. Doch genau dieses Gen hatten Forscher um Claude Desplan bereits als wichtig für die Sehfähigkeit der Fruchtfliegen identifiziert. Gab es hier einen Zusammenhang? Und wenn ja, welchen? Um dies herauszufinden begannen die beiden Forschergruppen gemeinsam nach einer Expression von spineless auch im Auge zu suchen.

Zufallsverteilung bestimmt Sehen

Das Drosophila-Auge besteht aus Gruppen von zwei Arten lichtempfindlicher Zellen, den so genannten Ommatidien. Beide enthalten unterschiedliche Sehpigmente, die entweder auf langwellige oder auf kurzwelliges Licht reagieren. Das durch langwelliges Licht aktivierte Rhodopsin-4 wird dabei durch das spineless-Gen codiert, wie die Arbeitsgruppe um Claude Desplan kürzlich herausfand. Fehlt das Gen, wird nur das auf kurzwelliges Licht spezialisierte Rhodopsin-3 produziert.

„Das faszinierende daran ist, dass die für Langwellen sensiblen Ommatidien zufällig im Auge verteilt sind“, erklärt Duncan. „Rund 70 Prozent der Ommatidien reagieren auf langwelliges, 30 Prozent auf kurzwelliges Licht. Bisher war es ein Rätsel, wie eine solche zufällige Verteilung zustande kommen kann und dabei doch das Verhältnis beider genau eingehalten wird.“

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Mithilfe der im Labor der Duncans entwickelten Methoden kartierten die Wissenschaftler um Desplan die regulatorische Region im spineless-Gen und fanden Hinweise darauf, dass sie für diese Zufallsverteilung verantwortlich ist. „Keiner wusste, was diese Zufallsverteilung kontrolliert. Jetzt wissen wir, dass es spineless ist“, so Dianne Duncan. „Wir wussten schon eine Weile, dass spineless unterschiedliche sensorische Funktionen besitzt und vermuteten, es könnte in der Entwicklungbiologie bisher unterbewertet worden sein. Jetzt können wir das Farbensehen zu seinen Leistungen dazurechnen.“

Das spineless-Gen scheint darüber hinaus auch die Kommunikation zwischen den beiden Typen von Photorezeptoren zu steuern: „Schon seit längerem ist bekannt, dass die Expression von Rhodopsin-Genen in den beiden zentralen Sehzellen gekoppelt ist und dabei Zelle R7 die in der Zelle R8 aktivierten Gene beeinflusst“, so Ian Duncan. „Eine der weiteren wichtigen Ergebnisse dieser Studie ist daher die Entdeckung, dass es spineless ist, das diese gegenseitige Einflussnahme von R7 und R8 kontrolliert.“

Verbindung zum menschlichen Riechsinn?

Die Duncans wollen jedoch auch die „Antennenbau“-Funktion des spineless Gens noch weiter untersuchen, denn sie könnte Aufschlüsse auch über die menschliche Geruchswahrnehmung liefern. Bisher hat sich bereits ergeben, dass ein Gen, das einen bestimmten Riechrezeptor bei Säugetieren codiert, den so genannten Dioxin-Rezeptor, große Ähnlichkeiten zu spineless zeigt. In einer Kooperation mit Forschern der Universität von Wisconsin setzten die Duncans dieses Säugetier-Gen in Drosophila ein und zu ihrer Überraschung erzeugte dieses Gen ebenfalls eine Antenne.

“Die Antenne ist ziemlich speziell“, erklärt Dianne Duncan. „Sie enthält viele Proteine, die nirgendwo anders in der Fliege produziert werden. Darunter auch viele Proteine für Geruchsrezeptoren. Wir hoffen, dass wir wichtige Einblicke in die menschliche Geruchswahrnehmung erhalten, wenn wir enthüllen können, wie die Entwicklung der Drosophilaantenne kontrolliert wird.“

(Washington University in St. Louis, 05.04.2006 – NPO)

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