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Ökologie

Kein Geld für Urwald- und Meeresschutz

UN-Konferenz über biologische Vielfalt gescheitert?

Die UN-Konferenz über Biologische Vielfalt (CBD), die am Freitag im brasilianischen Curitiba zu Ende gegangen ist, hat aus Sicht von Greenpeace oder WWF kaum Fortschritte gebracht. Die 188 Mitgliedsstaaten werden es nicht schaffen, so die Umweltschützer, das Artensterben in Urwäldern und Meeren entscheidend zu verringern.

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"Diese Konferenz ist wie ein großer Dampfer inmitten eines Unwetters – ohne Kapitän und ohne Treibstoff", sagt Martin Kaiser, der für Greenpeace an der Konferenz teilnahm. "Es ist kein Geld in Sicht, mit dem Schutzgebiete in Urwäldern und auf der hohen See finanziert werden könnten. Es gibt keine Maßnahmen gegen den illegalen Holzeinschlag und den Handel mit illegal gefälltem Holz. Auch die Biopiraterie, der Klau genetischer Ressourcen, wird ungebremst weiter gehen."

Australien, Neuseeland und Kanada haben – unter dem Druck der USA, die die CBD gar nicht ratifiziert haben – durchgesetzt, so Greenpeace, dass es keine Zeitlimits im Kampf gegen Biopiraterie gibt. "Damit wollen sich diese Länder Zeit erkaufen, in der ihre Pharma- und Gentechnikkonzerne sich im Rahmen der Welthandelsorganisation Patente auf Pflanzen und genetische Ressourcen sichern können. Die Industrie will weiter die Artenvielfalt nutzen und Gewinne einstreichen, ohne den Ursprungsländern einen Ausgleich zahlen zu müssen", sagt Kaiser.

Während der letzten CBD-Konferenz 2004 in Malaysia haben sich die Mitgliedsstaaten darauf geeinigt, ein globales Netzwerk von Schutzgebieten einzurichten, um die Artenvielfalt der Erde zu schützen. "Die Industriestaaten haben dazu nicht ansatzweise Geld auf den Tisch gelegt. Im Gegenteil: Die USA als Hauptgeldgeber des Klima- und Artenschutzfonds haben angekündigt, ihren Beitrag zum Artenschutz zu halbieren. Auch der Gastgeber Brasilien hat keine neuen kreativen Finanzierungswege für den Artenschutz vorgeschlagen. Damit sägen die Politiker am Ast, auf dem unsere Kinder sitzen", sagt Kaiser.

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Keine Fortschritte im Kampf gegen illegalen Holzeinschlag

Auf der Konferenz gab es laut Greenpeace auch keine Fortschritte im Kampf gegen illegalen und zerstörerischen Holzeinschlag und Fischerei. "Vor allem Australien blockiert ein Verbot der extrem zerstörerischen Fischerei mit Grundschleppnetzen in der Hohen See. Hier waren Industrie-Interessen mal wieder wichtiger als der Schutz der marinen Artenvielfalt", sagt Karen Sack, Greenpeace-Meeresexpertin. Im Bereich Urwaldschutz hat sich der brasilianische Präsident Lula gegen jede Zusammenarbeit auf regionaler und internationaler Ebene gewehrt – obwohl Holzfäller, Viehzüchter und Sojafarmer immer weiter in den Amazonas-Urwald vordringen.

Fortschritte gab es nur bei der biologischen Sicherheit. Das Moratorium zur Terminator-Technologie ist gesichert. Auch gentechnisch veränderte Bäume dürfen nicht mehr kommerziell gepflanzt werden, bis die Vertragsstaatenkonferenz 2008 grundsätzlich darüber entscheidet.

WWF beklagt fehlende Finanzierungszusagen

Beim Schutz der Artenvielfalt ist die Staatengemeinschaft stark auf die Bremse getreten, bedauert auch der WWF am Ende der 8. UN-Konferenz zur Konvention über die biologische Vielfalt. Der Mangel an politischem Willen und an Finanzierungszusagen habe den Fortschritt der Konvention stark verlangsamt.

"Der Enthusiasmus, der auf lokaler und regionaler Ebene gezeigt wird, um den Artenschwund aufzuhalten, ist immens – aber ohne die nötigen Mittel können keine Fortschritte erzielt werden. Bei der nächsten Konferenz 2008 in Deutschland muss die Bundesregierung als Gastgeberland mit gutem Beispiel vorangehen und die Geldbörse weit aufmachen," fordert WWF-Experte Roland Melisch.

Das Ziel der Konvention, den Verlust der Artenvielfalt bis 2010 bedeutend zu verringern, kann nach Ansicht des WWF immer noch erreicht werden, aber nur, wenn die Staatengemeinschaft an einem Strang zieht. Die Minister müssen auf der nächsten Konferenz in Deutschland die nötigen Entscheidungen für eine rasche Umsetzung treffen.

BMU: Weichen für den Schutz der biologischen Vielfalt gestellt

Anders als die Umweltorganisationen sieht Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in den Ergebnissen der 8. Vertragsstaatenkonferenz eine solide Basis, um bei den Verhandlungen 2008 in Deutschland substanzielle Fortschritte zu erreichen. „Die Konferenz hat viele wichtige Wege geebnet, die von der Staatengemeinschaft nun mit großem Engagement beschritten werden müssen. Ich will nicht verhehlen, dass die Verhandlungsgeschwindigkeit immer noch deutlich hinter den Notwendigkeiten zurückbleibt.“

Die Vertragsstaatenkonferenz habe eine Reihe wichtiger Entscheidungen getroffen. Von größter Bedeutung für die Entwicklungsländer sei die Vereinbarung eines klaren Zeitrahmens für die Verhandlungen über ein Regime zum Zugang und zum gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung biologischer Ressourcen: Eine Arbeitsgruppe soll zum frühest möglichen Zeitpunkt vor 2010 ihre Arbeit zur Ausgestaltung des Regimes abgeschlossen haben. Gabriel: „Ich bin froh, dass wir ein klares Signal ausgesendet haben, diese für die Entwicklungsländer zentrale Frage nicht auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben.“

Beim Aufbau eines weltweiten Schutzgebietsnetzes konnten Vereinbarungen über das weitere Vorgehen und über regelmäßige Überprüfungen der Fortschritte getroffen werden. „Hier hätte ich mir gerade mit Blick auf die nach wie vor dramatisch hohen Entwaldungsraten und auf die enormen Belastungen von Meeresökosystemen mehr gewünscht. Da wir 2008 in Deutschland einen Schwerpunkt beim Schutz der Wälder haben, wird sich Deutschland in den nächsten Jahren gerade im Bereich des Urwaldschutzes besonders engagieren. Im Bereich des Schutzes der sensiblen Hochsee-Ökosysteme muss nun die UN-Generalversammlung die Weichen für zügige Schutzmaßnahmen stellen.“ Enttäuschend ist nach Ansicht von Gabriel, dass die Beschlüsse gegen den illegalen Holzeinschlag unangemessen weich sind.

(Greenpeace, WWF, BMU, 03.04.2006 – DLO)

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