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Materialforschung

Riesenmoleküle in sanftem Landeanflug

Erstmals synthetische Makromoleküle zu organischen Halbleitern verarbeitet

Die sechseckigen Moleküle stehen nach der sanften Landung mit ihren Kanten auf dem leitfähigen Untergrund und ordnen sich wie Dominosteine in Reihen an. Dabei stellen sie sich in zwei verschiedenen Richtungen auf. © MPI für Polymerforschung

Elektronische Chips sollen künftig noch preiswerter werden: Möglich macht dies vermutlich die so genannte organische Elektronik. Wissenschaftler haben nun eine Methode entwickelt, um organische Moleküle verarbeiten zu können, die nicht löslich sind und sich auch nicht verdampfen lassen. So ließen sich aus ihnen beispielsweise elektronische Bauteile herstellen. Die Forscher haben große Graphit-Moleküle mit einer speziellen Methode der Massenspektroskopie verdampft und anschließend sanft landen lassen. Dabei ordneten sich die Teilchen in leitfähigen Schichten an, so die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Materials.

Computerchips und andere elektronische Bauelemente bestehen heute noch größtenteils aus Silizium – einem anorganischen Halbleiter. Für neue Anwendungen müssen sie aber noch preiswerter werden: Dann könnten sie sich hinter jedem Preisschild verstecken, als Sensoren in unserer Kleidung arbeiten oder als elektronische Wasserzeichen Dokumente sichern.

Chips aus organischen Materialien könnten das ermöglichen. Denn auch viele organische Moleküle taugen als Leiter oder Halbleiter. Dabei gilt: Je größer die Teilchen, umso leitfähiger. Große organische Moleküle weisen jedoch eine starre und komplexe Struktur auf, die sie unlöslich macht und die beim Verdampfen zerstört wird. Um aus ihnen Bauelemente produzieren zu können, müssen Moleküle aber im gelösten oder gasförmigen Zustand vorliegen. Wenn Wissenschaftler also die elektrischen Eigenschaften von Molekülen verbessern, erschweren sie sich somit automatisch die Handhabung.

Riesenmoleküle im Visier der Forscher

Die Forschungsgruppe von Professor Klaus Müllen und Hans Joachim Räder vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung hat jetzt eine Methode entwickelt, um extrem große polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe zu verarbeiten. Dazu entwickelten die Mainzer Wissenschaftler zunächst eine modifizierte Methode der so genannten Matrix-unterstützten-Laserdesorptions/Ionisations (MALDI) Massenspektrometrie, mit der die unlöslichen Riesenmoleküle schon heute zuverlässig nachgewiesen und charakterisiert werden können.

Die MALDI-Massenspektrometrie ermöglicht es, auch große Moleküle unzersetzt als geladene Teilchen in die Gasphase zu überführen. Dabei werden die Moleküle von einer Matrix anderer Teilchen umhüllt, die mit ihnen verdampfen und die überschüssige Energie schlucken, die das Molekül sonst zerstören würde. Die dabei gebildeten Ionen werden anschließend in einem elektrostatischen Feld beschleunigt und in einem Magnetfeld nach ihrem Molekulargewicht aufgetrennt. Das geschieht im Grunde in jedem Massenspektrometer.

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Um die Moleküle wohlbehalten auf einer Oberfläche abzuscheiden, bremsen die Polymerforscher die mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit fliegenden Moleküle wieder ab. Sie lassen die Moleküle auf einer Oberfläche sanft landen, so dass sie nicht wie üblich zerschellen, wenn sie auf einen Detektor prallen. Möglich wird diese sanfte Landung, weil ein elektrostatisches Bremsfeld die Moleküle verlangsamt.

Wie Dominosteine in einer Reihe

Den Max-Planck-Forschern gelang es damit jetzt erstmals, ultradünne kristalline Schichten auch von sehr großen Molekülen auf einem leitfähigen Substrat herzustellen. So erzeugten sie Filme, die jeweils aus aromatischen Molekülen mit 42 und 96 Kohlenstoffatomen bestanden. Die größeren der beiden Moleküle haben sie so zum ersten Mal zu Schichten aneinander gelagert. Filme aus den Graphit-Molekülen mit 42 Kohlenstoffatomen ließen sich zwar auch schon mit den gängigen Methoden produzieren, die mit gasförmigen oder gelösten Teilchen arbeiteten. Anders als bei diesen landeten die plättchenförmigen Moleküle bei dem neuen Verfahren aber nicht flach auf dem leitfähigen Untergrund, sondern mit ihren Kanten. Sie ordneten sich also nicht wie die Teile eines Puzzles an, sondern eher wie Dominosteine in einer Reihe.

Das stellten italienische Wissenschaftler des Consiglio Nazionalle delle Ricerche in Bologna fest, als sie die Schichten mit einem Rastertunnelmikroskop charakterisierten. Für mögliche Anwendungen als Halbleiter, ist es sehr günstig, dass sich die Moleküle hintereinander aufreihten. Dann sind die Ladungsträger nämlich besonders beweglich, weil die Elektronenwolken dabei sehr gut überlappen.

Da ein Massenspektrometer die ionisierten Moleküle nach ihrem Masse/Ladungsverhältnis trennt, liegen sie außerdem in hochreiner Form vor. Somit gelang es den Forschern, isotopenreine Proben der großen Graphitmoleküle zu erzeugen. Gerade um elektronische Bauteile herzustellen, ist diese Reinigung von enormer Bedeutung, da unlösliche und nichtflüchtige Verbindungen mit konventionellen Methoden nicht zu reinigen sind. Mit dem neuentwickelten Verfahren lassen sich nun auch neue Substanzklassen in der organischen Elektronik einsetzen. Außerdem könnte es zukünftig helfen, die bisher wenig zugängliche Chemie von Makromolekülen im festen Zustand besser zu erforschen.

(idw – MPG, 24.03.2006 – DLO)

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