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Biologie

Mittelmeer: Wimmelndes Leben in salziger Tiefsee

Neu entdeckte Bakterien bilden komplexes Ökosystem in schmaler Übergangszone

In einer nur zweieinhalb Meter breiten Grenzbereich zwischen salzarmen und salzreichen Wasserschichten in den Tiefen des Mittelmeers existiert ein komplexes Ökosystem mit zahlreichen verschiedenen Bakterienarten, die zum Großteil bis vor kurzem unbekannt waren. Dies hat jetzt eine Schiffsexpedition von Wissenschaftlern aus Deutschland, England, Italien, Frankreich, Griechenland und den Niederlanden entdeckt.

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Das multinationale Team, zu dem auch der Mikrobiologe Professor Kenneth Timmis von der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig gehört, berichtet über seine Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.

In den so genannten "Brine-Becken" – extrem salzreichen Senken auf dem Grund der Tiefsee – können nur wenige Organismen überleben. Anders sieht es offenbar im Grenzbereich zwischen der hochkonzentrierten Salzlake und den darüber liegenden Schichten gewöhnlichen Meerwassers aus. Das Brine-Becken "Bannock" liegt in 3.300 Metern Tiefe vor der nordafrikanischen Küste. Vom Wasser des Ozeans unmittelbar darüber wird es durch eine nur 2,5 Meter breite Zone getrennt, in der der Salzgehalt von unten nach oben kontinuierlich abnimmt.

Wie die Forscher feststellten, variiert auch die Konzentration vieler anderer Stoffe – Zucker, Sulfat, Nitrat, Mangan – innerhalb dieser dünnen Zwischenschicht sehr stark. Und die "Wechselzone" erweist sich als überraschend belebt: "Wir haben aus den Wasserproben von dort 84 unterschiedliche Bakterien-Typen isolieren können", erklärt Timmis. "Die meisten waren bislang unbekannt. Einige zeigen so wenig Verwandtschaft zu anderen Lebensformen, dass wir sogar vier neue Klassen von Bakterien definiert haben."

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Beeindruckende Vielfalt

Für Timmis und seine Forscher-Kollegen ist diese Vielfalt beeindruckend, aber leicht erklärbar: "Aus dem Ozean darüber rieselt organisches Material nach unten, Zersetzungsprodukte aus toten Tieren und Pflanzen", erklärt Timmis. Das Brine-Becken bildet eine Barriere: Wegen der hohen Dichte der Salzlake findet kaum Austausch mit den darüber liegenden Wasserschichten statt. In der Zwischenschicht dagegen können sich unterschiedliche Organismen ansiedeln, die von dem abgesunkenen organischen Material leben.

"Weil sich die Salzkonzentration alle halbe Meter ändert, setzen sich in jedem Unterabschnitt dieser Zone andere Bakterien durch – unten welche mit hoher, weiter oben mit geringerer Salz-Toleranz." Was die einen beim Nährstoff-Abbau übrig lassen, können die anderen verwerten – entweder als Nahrung oder als Grundstoff für ihre Atmung. Sauerstoff gibt es in diesen lichtlosen Tiefen nicht.

"So entstehen komplexe Stoffwechsel-Kreisläufe", sagt Timmis, "ähnlich wie in der belebten Welt auf der Erdoberfläche, nur mit völlig unterschiedlichen molekularen Werkzeugen." Diese Besonderheiten könnten die neu entdeckten Bakterien interessant machen: "Wir werden diese molekularen Werkzeuge jetzt genauer untersuchen", sagt Timmis. "Davon versprechen wir uns neue Anwendungen, die man für Industrie und Medizin nutzen kann."

(idw – Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF), 09.03.2006 – DLO)

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