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Umwelt

Große Koalition: Öko-Bilanz mäßig

Umweltverbände enttäuscht von Umwelt- und Naturschutzpolitik nach 100 Tagen

Eine mäßige Bilanz beim Umwelt- und Naturschutz haben die Umweltverbände NABU und BUND nach 100 Tagen Amtszeit der Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD gezogen. Zufrieden zeigten sie sich hinsichtlich der Klima- und Energiepolitik. Positiv hervorzuheben sei auch der erfolgte Verkaufsstopp für die ökologisch wertvollen Flächen aus Bundesbesitz und die in diesem Zusammenhang begonnenen Arbeiten zur dauerhaften Sicherung des Nationalen Naturerbes. Negativ fällt die Öko-Bilanz vor allem bei der Föderalismusreform sowie im Bereich der Agrar- und Verkehrspolitik aus.

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„Bei der Föderalismusreform hat sich gezeigt, dass die Regierung anscheinend bei der Aushandlung des Koalitionsvertrages die falschen Leute am Tisch hatte“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Der Beschluss des Kabinetts zur Föderalismusreform, die erforderlichen Nachbesserungen nicht durchzuführen, zeuge von zu wenig echtem Reformwillen. Die Ziele der Bundesregierung, mit der Reform Transparenz und Bürokratieabbau voran zu bringen, würden durch die vielen Abweichungsmöglichkeiten der Länder ad absurdum geführt. Das angestrebte Umweltgesetzbuch für ein einheitliches und übersichtliches Umweltrecht könne auf dieser Basis kaum realisiert werden.

Agrarbereich bereitet Sorgen

Mit Sorge blickt der NABU auf die Entwicklungen im Agrarbereich. „Die große Koalition hat sich bereits nach 100 Tagen meilenweit von der Aussage entfernt, eine ausreichende Finanzierung für die Entwicklung im ländlichen Raum zu gewährleisten“, kritisierte der NABU-Präsident. Bundeskanzlerin Merkel habe einer dramatischen Kürzung der Mittel für die ländliche Entwicklung zugestimmt, welche auch die Zukunft des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 grundsätzlich in Frage stelle.

„Wer den Rotstift massiv bei der ländlichen Entwicklung ansetzt, der fördert damit den fortschreitenden Verlust der Arten- und Lebensraumvielfalt in unseren Kulturlandschaften“, warnte Tschimpke. Auch die Pläne von Agrarminister Seehofer im Bereich der Gentechnik ließen nichts Gutes erwarten. Als erste Amtshandlung habe er drei Sorten eines gentechnisch veränderten Maises zum Anbau zugelassen. Die Absicht, das Gentechnikgesetz zugunsten einer verstärkten Förderung des Genpflanzen-Anbaus sowie der Gen-Forschung zu kippen, wäre ein herber Rückschlag für den Natur- und Verbraucherschutz.

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Wenig Erfreuliches gebe es aus dem Bundesverkehrsministerium. Mit dem geplanten Gesetz zur Beschleunigung von Bauvorhaben für Infrastrukturprojekte sei ein massiver Eingriff in die demokratischen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte von Bürgern und Verbänden verbunden. Die steuerliche Förderung zur Nachrüstung von Diesel-Pkw mit Rußpartikelfiltern lasse immer noch auf sich warten. „Verkehrsminister Tiefensee hat hier seine Hausaufgaben nicht gemacht“, betonte Tschimpke.

Zufrieden äußert sich der NABU hinsichtlich der Klima- und Energiepolitik von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Der Minister und weite Teile der Koalition hätten erkannt, dass man den Zug der erneuerbaren Energien weiter in Fahrt bringen muss, statt ihn aufzuhalten. Ausgebremst werde eine nachhaltige Entwicklung der Energiewirtschaft insgesamt jedoch durch die dauernden Diskussionen über den Atomausstieg. „Würden Vertreter der Union den Ausstieg nicht ständig erneut in Frage stellen, wären die Stromkonzerne längst gezwungen, die Weichen für Investitionen in eine umweltschonende Neuausrichtung des Kraftwerksparks zu stellen“, so Tschimpke.

Kein Profil in der Umweltpolitik?

In der Umweltpolitik suche die Große Koalition noch ihr Profil, so der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Kennzeichnend dafür sei das Hin- und Her bei Energie- und Agrarthemen, während viele Potentiale im Umwelt- und Naturschutz ungenutzt blieben. Eine „gute Figur“ habe Umweltminister Sigmar Gabriel gleich zu Beginn seiner Amtszeit gemacht, als er beim Weltklimagipfel von Montreal das Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll voranbrachte. Der BUND lobte Gabriel auch dafür, dass er sich klar gegen längere Laufzeiten für Atomkraftwerke ausgesprochen habe.

Im Gegensatz dazu habe Bundeskanzlerin Angela Merkel mehrfach ihr Interesse an Laufzeitverlängerungen für die deutschen Atomkraftwerke bekundet, zugleich aber auch die Gültigkeit des von Rot-Grün beschlossenen Atomausstiegs bekräftigt. Nachdem Bundesagrarminister Horst Seehofer zunächst mit Angriffen gegen seine Vorgängerin Renate Künast und den Ökolandbau hervorgetreten war, sei er später wieder zurückgerudert. Habe er zunächst die Gentechnik in der Landwirtschaft durchsetzen wollen, versprach er dann wiederum, alles zu unterlassen, was Umwelt und Gesundheit gefährde. Merkel und Seehofer hätten außerdem nichts getan, um die umweltverträgliche ländliche Entwicklung vor Kürzungen im EU-Etat zu bewahren. Auch zur geplanten Schwächung der Standards für das EU-Biosiegel schweige Seehofer. Damit drohe eine boomende Branche abgewürgt zu werden.

(NABU/BUND, 28.02.2006 – DLO)

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