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Geowissen

Langhals-Saurier als Giraffen der Urzeit?

Momentaufnahme aus der Jurazeit im chinesischen Junggar-Becken gelungen

Fossile Koniferenbaumstämme © Oliver Wings

Die zwölf bis vierzehn Meter großen und mit langen Hälsen ausgestatteten Mamenchisaurier haben vor 160 Millionen Jahre vermutlich im Kronendach von riesigen Araukarien-Bäumen gefressen und spielten damit eine ähnliche Rolle im Ökosystem wie die heutigen Giraffen. Dies haben deutsche Paläontologen bei einer Forschungsexpedition im Junggar-Becken im Nordwesten Chinas herausgefunden.

Das Team um den Tübinger Paläontologen Professor Hans-Ulrich Pfretzschner entdeckte und klassifizierte dort – zwischen Kasachstan im Westen und der Mongolei im Osten – nicht nur alte Knochen und Zähne von Sauriern und kleinen Säugetieren, sondern untersuchte auch einen fossilen Wald aus der Jura-Zeit und konnte ihn sogar am Computer rekonstruieren.

„Tannenbäume“ der Urzeit

Die Tübinger Forscher haben sich von der Zwei-Millionen-Stadt Urumqi aus zu den flachen Hügelketten in der Wüste des Junggar-Beckens aufgemacht. „Die Fundplätze sind nur durch mehrstündige Anfahrten durch schwieriges Gelände zu erreichen“, beschreibt Oliver Wings aus Pfretzschners Team die Arbeitsbedingungen. Es gibt zum einen bis zu 25 Meter lange liegende Baumstämme, für die Forschung noch interessanter sind aber etliche aufrecht stehende fossile Baumstümpfe, deren Holz über die Jahrmillionen verkieselt ist.

Das Holz stammt von Araukarien, einer Koniferengruppe zu der auch noch die heutigen Zimmertannen gehören: „Man weiß, dass die damals sehr verbreitet waren. Araukarien sehen auch heute noch am Anfang in der Gestalt wie ein Tannenbaum aus, später bilden sie einen Schirm, ähnlich wie Pinien“, erklärt Wings. Die Bäume, so konnten die Wissenschaftler feststellen, haben sehr flach gewurzelt, teilweise sind im Stammquerschnitt noch Jahresringe zu erkennen. „Wenn man den Querschnitt durch einen heutigen Baumstamm mikroskopisch untersucht, sieht man, dass sich im Frühjahr große Wasserleitgefäße bilden, im Sommer etwas kleinere. Im Herbst wird die Wachstumsaktivität immer geringer, die Zellen bis zum Wachstumsstillstand im Winter immer kleiner“, sagt Pfretzschner.

Hinweise auf Megamonsunklima entdeckt

Im chinesischen Fossilienwald sehe das Bild ganz anders aus: auf etwa 80 Lagen großer Zellen folgen im Stammquerschnitt nur zwei bis drei Lagen mit kleinen Zellen. Die Bäume haben ihre Wachstumsaktivität im Jahreszyklus jeweils sehr plötzlich eingestellt. „Das ist ein Hinweis auf ein stark saisonales Klima“, sagt der Forscher, „ein so genanntes Megamonsunklima“ – mit warmen, feuchten Sommern und trockenen, kalten Wintern.

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Die Farben der Qigu-Formation © Oliver Wings

Die Tübinger Forscher haben eine Positionskarte angelegt, auf der die 65 erhaltenen Baumstümpfe des jurassischen Waldes eingezeichnet sind. Aus dem Stammdurchmesser der Stümpfe, der maximal 2,90 Meter betrug, lässt sich die Höhe der Bäume zu ihren Lebzeiten rekonstruieren: Der höchste Baum lag bei 44 bis 45 Metern, im Mittel waren die Bäume 27 Meter hoch. „Es ließ sich noch erkennen, dass sie an einem Fluss gestanden haben, der etwa fünf Meter tief und etwa 80 Meter breit war und in langen Mäanderschleifen geflossen sein muss. Am Rand sind die Araukarien als lichter Wald gewachsen“, sagt Pfretzschner.

Dinosaurier mit ähnlicher Rolle wie heutige Giraffen

Die Biomasse, die in diesem Wald produziert wurde, sei heutigen Wäldern vergleichbar. Neben den Baumstümpfen hat man Fossilien von Mamenchisauriern gefunden, diese zu den sauropoden Dinosauriern zählenden Tiere wurden etwa zwölf bis vierzehn Meter groß. Reste ihrer Gebisse zeigen, dass sich die Tiere von Pflanzen ernährt haben. Nach den Erkenntnissen der Tübinger Forscher könnten sie im Kronendach der Bäume gefressen haben. Damit hätten sie im Ökosystem eine ähnliche Rolle gehabt wie die heutigen Giraffen.

„In der derzeit in Deutschland aktiven Forschergruppe ‚Sauropodenbiologie‘ haben Tierernährungswissenschaftler die Nährstoffgehalte der Araukarienblätter untersucht und halten sie als Futter für gut geeignet. Sie wollen nun quantitativ berechnen, wie viel ein Mamenchisaurier an Futter gebraucht hat“, erzählt Wings. Die größeren Saurier seien wahrscheinlich im Winter jeweils ein paar hundert Kilometer Richtung Meer gewandert, wegen des stark saisonalen Klimas. „Dort hat man auch einige Skelette der gleichen Mamenchisaurier gefunden, was diese Hypothese stützt“, sagt Pfretzschner.

Außerdem wurden am Fuß des Tianchan-Gebirges Fossilien jurassischer Kleinsäuger gesucht. Diese Tiergruppe ist erst in der Trias – vor etwa 225 Millionen Jahren – entstanden. Von Urumqi aus wurde auch eine bereits bekannte Fundstelle mit Wirbeltierfossilien weiter ausgebeutet. Dazu mussten Werkzeuge wie Spitzhacken und Spaten einen schmalen Fußpfad hinaufgetragen werden, die Fundstelle liegt in der Trockensteppe. „Wir müssen dort die oberen Schichten abtragen, an der Basis ist ein Band voll von Knochensplittern“, erzählt Pfretzschner.

1,4 Tonnen Gestein abgebaut

Das abgetragene Gestein haben die Forscher in 30 bis 40 Kilo schwere Säcke verpackt, die mit Hilfe eines Pferdes samt Führer an den nächstgelegenen Fluss transportiert wurden. Dort haben die Paläontologen eine Schlämmanlage gebaut. Die Gesteinsbrocken werden durch Behandlung mit Wasserstoffperoxid auseinandergebrochen. Im Gesteinsschlamm stecken zum Beispiel stecknadelkopfgroße Zähnchen, die von einem Sieb zurückgehalten werden.

„Im Jahr 2005 haben wir etwa 1,4 Tonnen Gestein abgebaut und nach dem Schlämmen auf etwa 80 Kilogramm reduziert“, sagt Pfretzschner. Geübte Studenten sortieren nun Schildkrötenknochen, Fischreste, Dinosaurier- und Säugerzähne und andere paläontologische Kostbarkeiten aus. Vom Vorjahr gab es 1,7 Tonnen Gestein, in denen bis heute 22 Säugerzähne gefunden wurden“, berichtet Oliver Wings. Allein zehn davon wurden Docodonten zugeordnet – kleinen Säugetieren der Jurazeit mit maulwurfsähnlicher Lebensweise, die zu einem heute ausgestorbenen Zweig des Säugerstammbaums gehörten. „Sonst gilt eine Fundstelle bereits als reichhaltig, wenn ein Zahn auf eine Tonne Gestein zu finden ist“, erklärt Pfretzschner. Zum Vergleich: vorher seien aus ganz Asien gerade zwei Docodonten-Zähne bekannt gewesen. Zum ersten Mal war nun auch ein millimetergroßer Zahn aus einem Oberkiefer dabei.

Davon haben die Forscher präzise Abgüsse gemacht und den Zahn auf einem Mikromanipulator mit einem in alle Richtungen drehbaren Arm gegenüber von einem Unterkieferzahn positioniert. Auf diese Weise konnten die Forscher ein weiteres winziges Detail aus dem Jura in Szene setzen: „Wir haben dann die Stadien eines Kauschlages bei der Kieferbewegung der Docodonten erstmals in einem Film festgehalten, das hat bei anderen Wissenschaftlern Aufsehen erregt“, berichtet Pfretzschner. In diesem Jahr werden die Ausgrabungen im Junggar-Becken weitergehen.

(idw – Universität Tübingen, 28.02.2006 – DLO)

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