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Physik

Exotische Ionen leben kürzer

Eigenschaften von Positronium-Ionen mit bislang unerreichter Präzision gemessen

Laboraufbau des Experiments © MPI für Kernphysik

Das Positronium-Ion ist das einfachste geladene Atom, das man sich vorstellen kann – es besteht aus nur zwei Elektronen und einem Positron. Doch stabil ist diese exotische Konfiguration nicht: Bereits nach Bruchteilen von Sekunden zerfällt sie zu Licht. Wissenschaftler haben dieses Dreiteilchen-System nun unter die Lupe genommen und konnten dabei die Lebenszeit der Exoten sechs Mal genauer bestimmen, als es bislang möglich war. Das Ergebnis: Positronium-Ionen leben im Schnitt knapp eine halbe Nanosekunde.

Wie die Forscher in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters berichten, tragen diese Ergebnisse zu einem besseren Verständnis von Mehrkörpersystemen in der Quantenmechanik bei.

Alle chemischen Elemente der Natur sind nach demselben Prinzip aufgebaut: Im Atomkern befinden sich Protonen und Neutronen, drum herum Hüllen aus Elektronen. Anders exotische Atome wie das Positronium: Es besteht aus einem Elektron und dessen Antiteilchen, dem Positron, das – bis auf die entgegen gesetzte elektrische Ladung – genau die gleichen Eigenschaften hat wie das Elektron. Kommen sich Positron und Elektron zu nahe, dann vernichten sie sich blitzartig. Die gesamte Ruhemasse des Positroniums wird dabei in Gammastrahlung umgewandelt. Weil Positronium-Atome deshalb nur wenige Bruchteile von Milliardstel Sekunden (Nanosekunde) existieren, kommen sie in der Natur praktisch nicht vor.

Interessantes Modellsystem für die Quantenmechanik

Allerdings sind Positronium-Atome physikalisch recht einfach zu beschreiben: Es handelt sich um ein System aus zwei praktisch identischen und punktförmigen Teilchen, die sich gegenseitig mit nur einer einzigen Kraft – der „elektroschwachen Wechselwirkung“ – anziehen. Unter normalen Umständen genügt sogar die elektromagnetische Kraft zur Beschreibung. In „gewöhnlichen“ Atomen aus Neutronen, Protonen und Elektronen verkomplizieren dagegen die räumliche Ausdehnung der Kerne und die zusätzliche starke Wechselwirkung die Rechnung.

Der schematische Aufbau des Experiments. Die Positronen fallen von links ein, durchdringen eine Kohlenstofffolie und verwandeln sich dabei durch Aufnahme von zwei Elektronen in Positronium-Ionen. Diese werden beschleunigt und nachgewiesen. © MPI für Kernphysik

Physikalisch spannend wird die Angelegenheit, wenn dem Positronium-Atom ein weiteres Elektron hinzugefügt wird. In solchen negativ geladenen Atomen (Ionen) wechselwirken dann drei Teilchen miteinander – und das ist für Physiker eine Herausforderung, denn die Eigenschaften von Dreikörpersystemen lassen sich nur noch näherungsweise berechnen. Dennoch ist das Positronium-Ion aufgrund seiner Einfachheit ein interessantes Modellsystem für die Quantenmechanik.

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Allerdings fehlen bislang experimentelle Daten, um die in der Theorie verwendeten Näherungsverfahren zu testen. Als Auftakt eines Projekts zur Untersuchung des Positronium-Ions haben Heidelberger Max-Planck-Forscher daher nun die Lebensdauer der Exoten sechs Mal genauer bestimmt, als es bislang möglich war. Das Ergebnis: Positronium-Ionen leben im Schnitt knapp eine halbe Nanosekunde (0,4787(34) ns). Dies steht in sehr guter Übereinstimmung mit dem berechneten Wert.

Weitere Forschungsprojekte geplant

Für die Messung, die insgesamt acht Monate dauerte, schossen die Forscher Positronen durch eine extrem dünne Kohlenstofffolie. Etwa jedes zehntausendste Positron fängt dabei zwei Elektronen ein und bildet ein Positronium-Ion. Da deren Lebensdauer für eine direkte Messung zu kurz ist, wird sie indirekt bestimmt: Die Ionen werden in einem elektrischen Feld auf eine Geschwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und über eine sehr präzise verstellbare Flugstrecke geschickt. Zählt man mit einem geeigneten Nachweisverfahren die am anderen Ende ankommenden Positronium-Ionen für verschiedene Entfernungen, dann lässt sich dadurch die Lebensdauer ermitteln. Bei den genannten Geschwindigkeiten liegt die Reichweite der Ionen gerade im Bereich von einigen Millimetern, eine gut zugängliche und leicht zu handhabende Größenskala.

Für die Zukunft planen die Forscher weitere Experimente: Mit der Inbetriebnahme der Positronenquelle NEPOMUC an der Forschungsneutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) in Garching bei München steht seit kurzem ein hoch intensiver Positronenstrahl zur Verfügung. Neben einer weiteren Erhöhung der Präzision der Lebensdauermessung rücken damit erstmals auch andere Eigenschaften dieses ungewöhnlichen Ions in Reichweite experimenteller Untersuchungen.

(idw – MPG, 21.02.2006 – DLO)

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