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Medizin

Vogelgrippe erreicht Festland

Situation auf Rügen immer dramatischer

Die Vogelgrippe breitet sich in Deutschland immer weiter aus. Mittlerweile hat der auch für den Menschen gefährliche Virus H5N1 von Rügen aus das Festland erreicht. Bei zwei von fünf am Sonntag untersuchten Proben von Wildvögeln aus Mecklenburg-Vorpommern bestätigte das nationale Referenzlabor für aviäre Influenza am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) eine Infektion mit dem hoch pathogenen Erreger. Es handelt sich um einen Bussard aus dem Kreis Ostvorpommern und eine Silbermöwe aus Nordvorpommern.

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„Damit ist das eingetreten, was zu befürchten war“, so der Präsident des FLI, Professor Dr. Thomas C. Mettenleiter. „Wildvögel lassen sich eben leider nicht reglementieren“. Bei zwei Blesshühnern aus Rostock und Nordvorpommern sowie einem Höckerschwan konnten die obersten Tierseuchenwächter dagegen gestern Abend Entwarnung geben.

Immer mehr H5N1-Fälle auf Rügen

Unterdessen hat sich die Situation auf der Insel Rügen am Wochenende dramatisch verschärft. Mittlerweile haben Helfer viele Hundert tote Vögel gefunden und eingesammelt. Bei 79 von ihnen stellten die FLI-Wissenschaftler in den Proben eine Infektion mit H5N1 fest.

„Bei der Mehrzahl dieser Tiere handelt es sich um Schwäne, meist Höckerschwäne“, so Mettenleiter. Es wurden aber auch Wildenten und Kanadagänse, zwei Greifvögel und ein Kormoran positiv getestet. Mettenleiter wies darauf hin, dass nur etwa ein Viertel der eingelieferten Totfunde mit H5N1 infiziert waren. Bei Singvögeln wurde der Erreger nicht nachgewiesen.

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„Es ist also keineswegs so, dass jeder tote Vogel auf Rügen an Vogelgrippe gestorben ist“, erläuterte der Präsident. Viele Tiere sind – wie immer in harten Wintern – auch an Unterernährung verendet. Wie Mettenleiter weiter mitteilte, konzentrieren sich die Untersuchungen des FLI ab sofort auf Wildvögel, die auf dem Festland tot aufgefunden wurden. Damit sollen Informationen erhalten werden, wie weit sich das Virus schon ausgebreitet hat.

Keulen hat begonnen

Gestern Abend hat die für Rügen zuständige Landrätin zudem Katastrophenalarm gegeben. Auch die Bundeswehr hilft seit Sonntag im Kampf gegen die Tierseuche. Soldaten einer ABC-Abwehrtruppe desinfizieren gemeinsam mit dem Technischen Hilfswerk Fahrzeuge und Menschen, die nach Rügen fahren oder von der Insel aufs Festland wollen.

Die Behörden haben aber auch damit begonnen, besonders gefährdete Haustiergeflügelbestände in der Nähe der Fundstätten zu töten. Bisher sind bereits mehrer Tausend Tiere gekeult worden. Wie Till Backhaus, Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern betonte, handelt es sich dabei um eine rein vorsorgliche Maßnahme. Bisher sei bei Haus- und Nutzgeflügel kein H5N1-Fall aufgetreten.

Zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich Backhaus vor Ort über die Situation informiert. Merkel bot dem Landkreis Rügen weitere Hilfe an. Jetzt sei es ganz wichtig, „dass wir alles tun, damit das Hausgeflügel getrennt bleibt von dem Wildgeflügel“, so Merkel.

Katastrophen-Management mangelhaft

Massive Kritik gab es erneut am Katastrophen-Management auf Rügen. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer und Backhaus bemängelten, dass die Fundorte der toten Tiere nicht schnell genug abgesperrt wurden und auch das Einsammeln gestorbener Schwäne, Enten und anderer Vögel nicht schnell genug erfolgt sei. Auch die Information der Bevölkerung über die Vogelgrippe war nach Ansicht von Kritikern unzureichend.

„Die aktuelle Debatte um die Vogelgrippe und die Entwicklungen in Mecklenburg-Vorpommern zeigen, dass die Notfallpläne und standardisierten Verfahren zur Bekämpfung der Vogelgrippe offensichtlich und entgegen den Behauptungen der Bundesregierung im Ernstfall nicht funktionieren. Es rächt sich, dass in den vergangenen Jahren in den Veterinärbehörden und Untersuchungsämtern massiv an Personal und Ausrüstung gekürzt worden ist. Dies trifft nicht nur auf Mecklenburg-Vorpommern zu und es ist wenig hilfreich, aufgrund der Entwicklungen jetzt mit spitzem Finger lediglich auf die Verantwortlichen in diesem Bundesland und im Landkreis Rügen zu

zeigen, wie es Minister Seehofer heute getan hat“, sagte die agrar- und verbraucherschutzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Kirsten Tackmann.

Zu einem effektiven Bekämpfungskonzept gehöre nun einmal auch die Prüfung der notwendigen und tatsächlich verfügbaren personellen, materiellen und finanziellen Ressourcen in den Veterinärbehörden und Untersuchungsämtern, damit die Notfallpläne nicht nur in Kraft- sondern auch umgesetzt werden können.

Dagegen zeigte sich Merkel für die Zukunft optimistisch und stellte den Einsatzkräften mittlerweile ein gutes Zeugnis aus: „Ich habe den Eindruck, dass nach den anfänglichen Reibeverlusten die Koordinierung der Einsätze gut funktioniert“, sagte sie.

(Bundesregierung Online, FLI, Die Linke, 20.02.2006 – DLO)

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