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Technik

Roboterschwärme im Minenräumdienst

Neue Technologie könnte Minensuche sicherer machen

Minenräumgerät © TU Wien

Aktuellen Schätzungen zufolge sind weltweit mehr als 100 Millionen Minen vergraben. Jährlich kommen rund zwei Millionen neue dazu. Monatlich sterben zwischen 500 und 800 Menschen durch einen Tritt auf eine Mine, weitere 2.000 werden durch sie verstümmelt. Die meisten Opfer sind unschuldige Zivilisten. Schnell, wirksam, kostengünstig und vor allem für die Minenräumer selbst ungefährlich – eine solche Entminungsmethode existiert derzeit noch nicht, rückt aber in greifbare Nähe. Mit der Roboter-Technologie der Technischen Universität Wien könnte dieser Traum bald in Erfüllung gehen.

Gefährliche und teure Minenentschärfung

Die Entminung erfolgt grundsätzlich in drei Schritten: die Minen müssen aufgespürt, danach ausgegraben und in einem letzten Schritt gesammelt und zu einem Platz gebracht werden, wo sie zerstört werden können. Werden die Minen nämlich an Ort und Stelle zur Explosion gebracht, wird der Boden für 10 –20 Jahre kontaminiert.

Minen aufzuspüren ist die eine Sache, sie zu entfernen eine weitaus gefährlichere und zeitaufwändigere. High-tech-Methoden wie Radar, Infrarot, Berührungssensoren, Kleinhubschrauber und GPS stehen bei der Suche in Konkurrenz zu sensiblen Hundenasen, die den Minensprengstoff erschnüffeln.

Das größte Problem ist aber die Entfernung. Die derzeit verbreitet zum Einsatz kommende Technologie ist zum einen sehr teuer, zum anderen hinterlässt sie ein Bild der Verwüstung. Die händische Minenentfernung ist daher immer noch die zuverlässigste, jedoch auch gefährlichste Methode. Abgesehen davon, dass ein Entminer diese Tätigkeit nur 40 Minuten ausüben kann, bevor er eine Pause machen muss, ist der Vorgang auch extrem zeitraubend und daher auch kostenintensiv. Um einen Quadratmeter abzusuchen benötigt man bereits vier Minuten.

Automatische Helfer gesucht

Am Institut für Handhabungsgeräte und Robotertechnik arbeitet Prof. Peter Kopacek intensiv daran, den gesamten Entminungsprozess zu automatisieren. Die Innovation besteht darin, dass pro Entminungsschritt unterschiedliche Roboter in Form von „Roboterschwärmen“ (robot swarms) zum Einsatz kommen sollen.

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Während man zur Suche Leichtgewichte benötigt, damit die Minen nicht ausgelöst werden (Antipersonenminen detonieren bei einer Belastung zwischen drei und 20 Kilogramm), muss der Roboter, der die Mine entfernen soll, ziemlich kompakt und robust sein – das Erdreich muss entfernt und die Mine im Anschluss ausgegraben werden. Die Beschaffenheit der Roboter, die die Minen schlussendlich an den Entschärfungsort transportieren, hängt wiederum von der Anzahl und der Art der zu transportierenden Mine ab – derzeit existieren immerhin 700 verschiedene Minenmodelle.

Zu berücksichtigen ist darüber hinaus noch der Zeitfaktor: die einzelnen Vorgänge dauern unterschiedlich lange, so dass die Bewegungsgeschwindigkeit der Roboter auch darauf abgestimmt werden müssen. Während die Suche und der Abtransport relativ schnell vor sich gehen, benötigt man für die Entfernung drei bis fünf Mal so lange wie für die Suche – in der Regel zwischen sechs und zehn Minuten.

Ketten oder Räder im Team

Eine mögliche Lösung könnten laut Prof. Kopacek zwei mobile Fahrgestelle sein, eines mit Rädern oder Ketten, das zweite mit richtigen Beinen. Je nach eingegrabenem Minentyp und der Geländebeschaffenheit könnten diese innerhalb kürzester Zeit mit der erforderlichen Gerätschaft ausgestattet werden. Das Umrüsten dauert durchschnittlich 30 Minuten.

Roboter mit Rädern und Ketten können sich derzeit nur mit 0,5 bis 0,7 Metern pro Sekunde fortbewegen, aufrecht gehende noch langsamer. Was auf den ersten Blick eher als Nachteil erscheint, nämlich der ungünstige Zeitfaktor, ist für die Roboter selbst ein Vorteil: sie müssen ihr Rückzugsgefecht erst planen und ihren Weg behutsam durch das meist unwegsame Gelände bahnen – da ist die langsame Fortbewegung ein Vorteil.

„Schwarmintelligenz“ als Schlüssel

Hier wiederum arbeitet man daran, wirklich intelligente kooperative „Roboterschwärme“ einzusetzen, die ohne menschliche Programmierung auskommen und sich die Lösung selbst erarbeiten. Ziel dieser Roboter ist es, aufgrund ihrer Intelligenz die Gesamtaufgabe so lange in kleine und viele Unteraufgaben zu zerlegen, bis ein Roboter in der Lage ist, eine Subaufgabe zu lösen. Dieser Prozess bedeutet logischerweise, dass danach die anderen Roboter auch so lange Subaufgaben erledigen, bis das gesamte Problem und somit die Aufgabe gelöst wurde.

Allein an Roboter-Know-How mangelt es am Institut für Handhabungsgeräte und Robotertechnik nicht. Dort ist man derzeit in der Lage, derartige intelligente Roboter zu bauen – lediglich es fehlt das Forschungsgeld. So setzt Peter Kopacek auf Kooperation und Yvan Baudoin von der Royal Military Academy Brüssel wird ihm bei seiner Umsetzung der intelligenten Minen-Roboter behilflich sein.

(TU Wien, 03.03.2004 – NPO)

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