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Medizin

Umgebauter Schnupfenvirus schützt vor H5N1

Wirkung auch beim mutierten Vogelgrippe-Erreger erhofft

Wissenschaftler haben einen Impfstoff gegen Vogelgrippe konstruiert, der Mäuse und Hühner vollständig gegen eine Infektion mit dem gefährlichen Stamm H5N1 schützt. Der Wirkstoff basiert auf gentechnisch veränderten Komponenten des lebenden Virus und aktiviert daher das Immunsystem effektiver als herkömmliche Grippeimpfungen. Gleichzeitig könnte er weitaus schneller produziert werden und sich daher besser zur Eindämmung einer Epidemie eignen.

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Die Vogelgrippe gehört schon jetzt zu den verheerendsten Tierseuchen überhaupt. Weltweit sind ihr 150 bis 200 Millionen Vögel zum Opfer gefallen. Am besonders aggressiven Stamm H5N1 sind inzwischen auch mehr als 80 Menschen gestorben – meist steckten sie sich durch engen Kontakt mit infizierten Vögeln an. Befürchtungen der Wissenschaftler gehen jedoch von möglicherweise noch mehr Opfern aus – insbesondere dann, wenn das Virus mit einem humanpathogenen Erreger verschmilzt und so den „Sprung“ zu einem auch von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus schafft.

Da sich das Virus schnell verändert, kann ein Impfstoff gegen den Erreger nicht im weit Vorhinein produziert werden, sondern erst dann, wenn akute Epidemiegefahr besteht. Doch nach herkömmlichen Verfahren dauert diese Produktion knapp ein halbes Jahr. Jetzt allerdings haben Forscher der Universität von Pittsburgh gemeinsam mit Kollegen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) einen Lebendimpfstoff entwickelt, der nicht nur besser schützt als alle bisherigen, sondern auch schneller einsatzbereit sein könnte.

Schnupfenvirus umgebaut

Andrea Gambotto und seine Mitarbeiter konstruierten den Impfstoff, indem sie einen gewöhnlichen Schnupfenvirus vom Typ der Adenoviren, gentechnisch so umbauten, dass er ein bestimmtes Protein des Vogelgrippevirus produzierte. Dieses so genannte Hämagglutinin (HA) findet sich auf der Oberfläche aller Grippeviren, da diese es benötigen, um an die Wirtszelle anzudocken. Die Wissenschaftler produzierten verschiedene Impfvirus-Varianten, die entweder das komplette Gen für das Protein in sich trugen, oder aber nur verschiedene Teile der entsprechenden Gensequenz.

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In Tierversuchen an Mäusen testeten die Forscher dann die Schutzwirkung der umgebauten Viren gegen den Vogelgrippeerreger H5N1. Das Ergebnis: Alle mit einem normalen Schnupfenvirus infizierten Mäuse der Kontrollgruppe gingen nach sechs bis neun Tagen an der Vogelgrippe zugrunde. Die mit dem Impfvirus versetzten Mäuse dagegen überlebten und zeigten, wenn überhaupt, nur eine leichte Gewichtsabnahme.

„Die Ergebnisse dieses Versuchs sind sehr viel versprechend, nicht nur, weil unser Impfstoff Tiere vollständig schützte, die sonst gestorben wären, sondern auch, weil wir herausgefunden haben, dass eine Impfvirus-Variante offenbar gleich mehrere Abwehrstrategien des Immunsystems stimuliert“, erklärt Gambotto, Hauptautor der jetzt im Journal of Virology veröffentlichten Studie.

Doppelte Verteidigungslinie

Die Analysen der Immunreaktionen der geimpften Mäuse enthüllten, dass die Tiere einerseits vermehrt Antikörper gegen H5N1 entwickelt hatten. Andererseits aber war durch das eingeschleuste Virenprotein offensichtlich auch die Produktion und Aktivität der T-Zellen des Immunsystems deutlich erhöht – eine doppelte Verteidigungslinie gegen die Infektion.

„Das bedeutet, dass dieser rekombinante Impfstoff gleich mehrere Linien der Abwehr gegen das H5N1-Virus stimulieren kann und dadurch größeren therapeutischen Wert hat“, so Simon Barratt-Boyes, Mitarbeiter der Studie. „Noch wichtiger: Es lässt hoffen, dass der Impfstoff auch dann noch gegen H5N1 effektiv ist, wenn dieser mutiert. Wie effektiv, wissen wir allerdings noch nicht, das werden wir erst feststellen können, wenn es passiert.“

100 Prozentiger Schutz bei Hühnern

Die Wissenschaftler testeten ihren Impfstoff anschließend auch an Hühnerküken, für die H5N1 normalerweise zu 100 Prozent tödlich ist. Die Tiere wurden nach der Impfung einer rund 10.000 Mal höheren H5N1-Dosis ausgesetzt als die Mäuse und auch als die im Freiland durch natürliche Übertragung infizierten Hühner. Das Ergebnis war auch hier ermutigend: Alle Küken, die den Impfstoff unter die Haut gespritzt bekommen hatten, überlebten den Virenansturm ohne die geringsten Anzeichen einer Erkrankung. Alle Kontrolltiere starben innerhalb von zwei tagen nach Exposition.

Wirkung auch beim Menschen erhofft

Nach Ansicht von Gambotto sollte ihr neuer Impfstoff jedoch nicht den bisher gängigen, Passivimpfstoff ersetzen, sondern vielmehr als zusätzliche Verteidigungsmöglichkeit eingeplant werden. So könnte der Impfvirus beispielsweise dann einspringen, wenn die normale Impfstoffproduktion unterbrochen oder verzögert sein sollte oder gezielt eingesetzt wird, um eine Barriere aus immunisierten Tieren gegen ein Vorrücken der Seuche aufzubauen.

Während die herkömmlichen Grippeimpfstoffe in lebenden Hühnereiern “ausgebrütet” werden müssen – ein zeitraubender und aufwändiger Prozess – kann das neue Impfvirus in Zellkulturen angezüchtet werden. Der Vorteil: der Impfstoff kann schneller und in größerer Menge produziert werden. „Es braucht wenig mehr als einen Monat um einen rekombinanten Virenimpfstoff herzustellen im Vergleich zu den mindestens mehreren Monaten bei traditionellen Methoden“, erklärt Gambotto. „Diese Kapazität wird besonders dann unschätzbar sein, wenn das Virus beginnt, schnell zu mutieren, ein Phänomen, dass die Wirkung der herkömmlichen Impfstoffe sehr begrenzt. In naher Zukunft wollen die Forscher eine erste Studie zur Wirkung des Impfstoffs am Menschen durchführen, um herauszufinden, ob die Hoffnung, ihn auch gegen einen mutierten H5N1 einsetzen zu können, berechtigt ist.

(University of Pittsburgh Medical Center, 27.01.2006 – NPO)

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