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Ökologie

Wie Maispflanzen „Hilfe“ rufen

Ein einziges Gen steuert biologische Schädlingsbekämpfung

Maispflanzen schützen sich, indem sie die Feinde ihrer Feinde anlocken: Auf dem Maisblatt sitzen Raupen, die sich von Mais ernähren, sowie eine parasitische Wespe, die die Raupen angreift. © Universität Neuchatel / T. Turlings

Welche genetischen Mechanismen Pflanzen in die Lage versetzen, gezielt chemische Hilferufe an Insekten abzugeben, hat jetzt ein internationales Wissenschaftler-Team am Beispiel von Mais herausgefunden. Dessen Pflanzen setzen einen Cocktail aus verschiedenen Duftstoffen frei, sobald sie von einer Raupe angefressen werden. Die Duftstoffe locken parasitische Wespen an, die ihre Eier in die Raupen ablegen und deren Nachkommen sich dann von der Raupe ernähren. Auf diese Weise wird die Pflanze von den Schädlingen befreit.

Beim Mais stellte sich nun heraus, so die Forscher der Universität Neuchatel und des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena in der Fachzeitschrift PNAS, dass lediglich ein einziges Gen (TPS10) angeschaltet werden muss, damit der Hilferuf funktioniert. Dieses Gen trägt die Information für ein Enzym, die Terpensynthase, das in der Pflanze so genannte Sesquiterpene herstellen kann – also diejenigen Duftstoffe, die Wespen zu befallenen Maispflanzen locken. Dieser nur auf einem Gen beruhende biologische Pflanzenschutz verspricht Anwendungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft.

Indirekte Verteidigung

Schon seit einigen Jahren ist von mindestens 15 verschiedenen Pflanzenarten bekannt, dass diese sich bei Insektenfraß durch die Abgabe von Duftstoffen schützen, mit denen sie die Feinde ihrer Feinde anlocken. Wissenschaftler nennen das „indirekte Verteidigung“, die nicht nur in der Luft, sondern auch im Erdboden funktioniert.

Um nun zu erforschen, wie dieser Mechanismus biochemisch funktioniert, also welche Enzyme und Gene eine Pflanze braucht, um diese Art der Selbstverteidigung auszuführen, haben die Max-Planck-Biologen für ihre Versuche Maispflanzen sowie Raupen der Art Spodoptera littoralis (Ägyptischer Baumwollwurm) und parasitische Wespen der Art Cotesia marginiventris gewählt. Die Entschlüsselung des komplexen Duftgemisches, das Maispflanzen bei Befall in die Luft abgeben, ergab bereits erste Hinweise, um welche Art von Enzym es sich handeln müsste.

„Naive“ Wespen zeigen keine spezifische Reaktion

Aus einer Genbank isolierten die Forscher verschiedene DNA-Abschnitte und analysierten dann deren Genprodukte (Enzyme) – verschiedene Terpensynthasen. Dass TPS10 tatsächlich das gesuchte Gen war, konnten die Forscher mit Hilfe gentechnisch veränderter Pflanzen belegen: In Pflanzen der Art Arabidopsis thaliana brachten sie das Gen TPS10 zusätzlich ein, so dass diese Pflanzen einen Teil des Maisduftes (neun spezielle Sesquiterpene) in ausreichender Menge herstellten. Mit einem so genannten Olfaktometer, einer Apparatur, in der Riechproben angeboten werden, untersuchten die Forscher dann, ob die duftproduzierenden Pflanzen wirklich die parasitischen Wespen anlocken.

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Dazu platzierten die Forscher sowohl duftstoffproduzierende als auch unveränderte Pflanzen in die sechs Arme des Olfaktometers. Als die räuberischen Wespen im Zentralzylinder des Olfaktometers freigesetzt wurden, flogen diese bevorzugt zu jenen Pflanzen, die den Duftstoff produzierten.

Hierbei ergab sich noch ein zusätzlicher und überraschender Befund: Um so zu reagieren, mussten die Wespen das Duftbouquet schon einmal in ihrem Leben wahrgenommen haben und mit dem Duft von Mais ihre Eiablage an der Raupe assoziieren. Denn junge „naive“ Wespen, die ohne diese Erfahrung in das Olfaktometer gesetzt wurden, verteilten sich gleichmäßig über alle Versuchspflanzen – oder bewegten sich gar nicht.

(MPG, 17.01.2006 – DLO)

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