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Genetik

Schimmelpilze: Genom enthüllt überraschende Unterschiede

Aspergillen nah verwandt aber genetisch sehr verschieden

Erstmals hat ein internationales Forscherkonsortium die Genomsequenzen von drei verwandten Schimmelpilzen zusammengetragen und verglichen. Die Ergebnisse, die jetzt in Nature erschienen sind, zeigen, dass die drei Pilze – Aspergillus oryzae, Aspergillus fumigatus und Aspergillus nidulans – obwohl zur gleichen Gattung zählend, genetisch so unterschiedlich sind wie Fische und Menschen.

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Die Resultate erlauben neue Rückschlüsse über die Genomevolution und Genomregulation im Allgemeinen und könnten helfen, die Bekämpfung lebensbedrohlicher Infektionen maßgeblich voranzutreiben. An dem weltweiten Konsortium waren auch zwei deutsche Forschergruppen, vom Göttinger DFG Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB) der Georg-August-Universität in Göttingen sowie Mikrobiologen der Universität Karlsruhe, beteiligt.

„Jekyll-und-Hyde“ unter den Pilzen

Aspergillen begleiten uns auf Schritt und Tritt, kommen in allen Klimazonen der Erde vor – von der Sahara bis zur Antarktis – und haben ganz unterschiedliche Bedeutungen für den Menschen. Kaum eine Spezies legt einen „Jekyll-und-Hyde“-Charakter an den Tag wie diese Schimmelpilze. Sie dienen als Lebensmittelveredler, stellen Pencillin her oder können zu lebensbedrohlichen Infektionen bei immungeschwächten Patienten führen. So gilt A. fumigatus zur Zeit als einer der „teuersten“ Pilze für die weltweiten Gesundheitssysteme, da eine Infektionen mit diesem Pilz beispielsweise bei Leukämie- oder HIV-Patienten sehr rasch zum Tod führen kann.

Unter den insgesamt 185 verschiedenen Aspergillen spielt vor allem einer für die Wissenschaft eine zentrale Rolle: der Aspergillus nidulans. In den letzten fünfzig Jahren hat die Forschung zu A. nidulans das Verständnis zellbiologischer Prozesse beispielsweise auf dem Gebiet genetisch bedingter Krankheiten erheblich vorangetrieben. Seine besondere Rolle für die Wissenschaft verdankt A. nidulans der Tatsache, sich im Gegensatz zu seinen Artgenossen auf zwei Arten fortpflanzen zu können. Er kann sich sowohl über einen asexuellen Fruchtkörper reproduzieren als auch mit einem Partner einen sexuellen Zyklus durchlaufen. Dies macht ihn vor allem für die Genetik besonders interessant, da man ihn kreuzen und als Modellorganismus verwenden kann.

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Grundlage für neue Forschungsmöglichkeiten

Die komplette Sequenzierung von drei Genomen einer Gattung kommentiert Chris Gunter, Senior Genome Editor bei Nature: „Dies ist eine wirklich bemerkenswerte Leistung, sowohl technisch als auch wissenschaftlich. Es ist das Ergebnis sechsjähriger Arbeit von 150 Wissenschaftlern auf der ganzen Welt und hat weitreichende Bedeutungen für die Medizin, die Biologie und die Biotechnologie.“

„Mit den vorliegenden Ergebnissen beginnt eine neue Ära in der Aspergillus-Forschung,“ bestätigt Gerhard Braus diese Einschätzung. „Durch die komplette Sequenzierung der drei verschiedenen Aspergillen und deren Vergleich, haben wir eine essentielle Grundlage für zukünftige genetische Untersuchungen geschaffen. Es gibt kaum eine Gattung, von der gleich drei Genome auf einmal komplett sequenziert wurden.“

Braus will diese Grundlagen vor allem für die Hirnforschung nutzen. Doch was haben Aspergillen mit dem Gehirn zu tun? Aspergillen erinnern mit ihren schlauchartigen Zellfäden – den Filamenten – an den Nervenfortsatz eines Neurons – das Axon. Filamente und Axone haben mehrere ähnliche Probleme: sie müssen wissen, wohin sie wachsen sollen, sich also gewissermaßen räumlich orientieren können. Auch müssen sie den Transport von Stoffen oder Informationen koordinieren und in beide Richtungen durchführen können. Erste Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass diese Parallelen nicht zufällig zu sein scheinen.

„Bei Aspergillus hat man herausgefunden, dass Lisencephalie – ein Gendefekt beim Menschen, der zur Degeneration des kindlichen Gehirns führt – auf einem Defekt in einem Regulator für ein Motorprotein beruht,“ erläutert Braus den Ansatz. „Während man so etwas beim Menschen kaum untersuchen kann, ist das beim Pilz relativ einfach, weil man hier viel besser gezielte Gentechnologie am Ursprungs-Ort im Chromosom durchführen kann,“ so Braus.

Komplementäre Untersuchungen werden im Labor von Reinhard Fischer in Karlsruhe durchgeführt. Dort wird die Rolle von Kinesinmotorproteinen in A. nidulans untersucht. Diese kleinen, extrem leistungsfähigen Motoren transportieren wichtige Bausteine in den Zellen und ermöglichen das schnelle Wachstum der Pilze. Die gleichen Motoren kommen auch in den Nervenzellen vor und ermöglichen den Langstreckentransport in den Neuronen. Auch hier ist der filamentöse Pilz ein hervorragendes Modell zur Aufklärung einiger Motorfunktionen, deren Kenntnis auch das Nervenwachstum im menschlichen Gehirn zu verstehen hilft.

(DFG Forschungszentrum für Molekularphysiologie des Gehirns, 23.12.2005 – NPO)

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