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Technik

Silvesternacht dauert eine Sekunde länger

Eine Minute mit 61 Sekunden

Sieben Jahre lang ging es ohne. Doch nun ist es wieder so weit. In der kommenden Silvesternacht werden die (Funk)Uhren nach 0:59:59 beim nächsten Sekundentick nicht auf ein Uhr springen, sondern kurz innehalten, um eine kleine Portion Extrazeit einzubauen: eine Schaltsekunde. Der Internationale Erd-Rotations-Service (IERS) in Paris hat der koordinierten Weltzeit diese Zugabe verordnet, da unsere Erde wieder etwas zu sehr aus dem Takt gekommen ist.

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Die Erde hinkt der Zeit aus den Atomuhren, deren Sekundenticks sich um kein irdisches Schwanken kümmern, nach. Den deutschen Uhren wird die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig diese Schaltsekunde verabreichen.

Erde wird langsamer

Die meisten Menschen haben es gerne, wenn um zwölf Uhr mittags die Sonne am höchsten steht und es um 24 Uhr mitten in der Nacht ist. Mit guten Uhren – könnte man denken – sollte dieser Wunsch einfach und für alle Zeiten zu erfüllen sein. Doch gerade die besten Uhren, nämlich Atomuhren, haben mit diesem Wunsch ein Problem. Sie ticken zwar höchst gleichmäßig, kümmern sich aber nicht um irdische Verhältnisse. Unsere Erde schwankt und torkelt ein wenig vor sich hin und wird in ihrer Drehbewegung sogar tendenziell langsamer – Ebbe und Flut wirken wie eine permanent schleifende Bremse. Wird die Erde jedoch langsamer, dehnen sich die Tage, was sich über Jahrhunderte hinweg durchaus bemerkbar macht.

All dies war wohlbekannt, als 1967 die Dauer der Atomsekunde festgelegt wurde. Der damals definierte und bis heute gültige Zahlenwert – die Sekunde als das 9.192.631.770fache der Periodendauer einer Schwingung im Cäsiumatom – orientierte sich an astronomischen Daten vergangener Jahrzehnte, in denen die Erde schlicht etwas schneller war. Dies führt somit zu einer Sekunde, die etwas kürzer ist, als es der irdischen Tageslänge, zumal heute, entspricht.

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Der Unterschied summierte sich im Mittel über die Jahre 1960 bis 2000 auf etwa eine Dreiviertelsekunde pro Jahr. Im Jahr 1972 – als bereits eine Zeitdifferenz von zehn Sekunden aufgelaufen war – entschloss man sich, fortan eine Zeitskala mit Extrasekunden, eben den Schaltsekunden, als weltweite Referenzzeit zu verwenden, um die Uhrzeit in praktikabler Weise im Einklang – immer innerhalb ± 0.9 Sekunden – mit dem natürlichen Zeitmaß zu halten. Schaltsekunden machen seitdem aus der Atomzeit die „koordinierte Weltzeit“. Wie unregelmäßig schnell sich die Erde dreht, sieht man daran, dass aktuell 7 Jahre vergehen mussten, bevor eine Schaltsekunde nötig wurde. Im Sommer 2004 gab es „Tage“, die kürzer als 86.400 Atomsekunden waren!

Für den Neujahrstag 2006 hat der IERS, der die Drehung der Erde über astronomische Messungen verfolgt und auswertet, nun die 23. Schaltsekunde seit dem Beginn der koordinierten Weltzeit angeordnet. Uhren, die in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Zeit gehalten werden sollen, müssen daher um eine Sekunde angehalten werden. Besitzer von Funkuhren brauchen sich um nichts zu kümmern – in der Neujahrsnacht ganz angenehm.

Der Schaltsekunde droht das Aus

Ob solche Anordnungen auch in Zukunft folgen werden, ist allerdings ungewiss. Gegner der Schaltsekunde wollen sie am liebsten abschaffen und statt dessen im Jahr 2600 eine ganze Stunde einfügen. Dieser (sehr umstrittene) Vorschlag wurde unter anderem im November 2005 bei einem Treffen der Internationalen Fernmelde-Union in Genf diskutiert.

„Vor allem die Amerikaner wollen die Schaltsekunde abschaffen, mit der wir die Diskrepanz zwischen Atomzeit und astronomischer Zeit korrigieren“, erklärt der Bonner Wissenschaftler Axel Nothnagel. „Bei manchen EDV-Anwendungen ist die Synchronität voneinander unabhängiger Computersysteme enorm wichtig, und da kann die regelmäßige Korrektur der Atomzeit um eine Sekunde natürlich ein gefährliches Sandkorn im Getriebe darstellen.“

Deshalb mehren sich die Stimmen, die in der ständigen Korrektur eine Gefahr sehen, die es zu minimieren gilt. Schon ab 2008 will man nicht mehr so häufig eingreifen, dafür aber richtig. Konkret: Sobald die Abweichung auf mehr als eine halbe Stunde wachse, solle man die Uhren um eine ganze Stunde nach hinten stellen. Axel Nothnagel: „Nach unseren Schätzungen wäre das etwa im Jahr 2600 der Fall.“

(idw – Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), Universität Bonn, 30.12.2005 – DLO)

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