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Physik

Ein Kristall aus lauter Löchern

Physiker weisen ungewöhnlichen Materiezustand nach

Lochkristall © Michael Bonitz / Universität Kiel

Einen ungewöhnlichen Materiezustand, einen Kristall, der nur aus Löchern besteht, haben jetzt Wissenschaftler erstmals nachgewiesen: Wie das internationale Team in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Physical Review Letters berichtet, gelang mit Hilfe von aufwändigen Computersimulationen die Bestätigung dieses exotischen Phänomens, über dessen Existenz bislang nur spekuliert wurde. Darüber hinaus konnten die Physiker Bedingungen für seine Entstehung vorhersagen.

„Wir wissen nun, dass dieser Effekt in Halbleitern mit einer ganz bestimmten Bandstruktur auftritt“, so der Leiter des Projekts Professor Michael Bonitz von der Universität Kiel. „In gewöhnlichen Festkörpern sind Elektronen und Löcher (sie entstehen, wenn Elektronen angeregt werden) weit ausgedehnt – eine Konsequenz der Quantenmechanik. Elektronen und Löcher durchdringen das Material wie eine Flüssigkeit.“

Wenn jedoch die Masse eines Lochs den kritischen Wert des 80fachen der Elektronenmasse übersteigt, verwandelt sich die Lochflüssigkeit spontan in einen Kristall. Des Weiteren liegen starke Hinweise vor, dass sich in derartigen Halbleitersystemen bei Verringerung des Drucks Bose-Kondensate von gebundenen Elektron-Loch Paaren (so genannten Exzitonen) ausbilden können. „Die nächste spannende Frage ist, unsere Vorhersage zum Lochkristall in einem Experiment zu bestätigen“, beschreibt der Physiker den weiteren Weg. Geeignete Materialsysteme seien bereits vorgeschlagen worden.

Lochkristall könnte Rätsel um Weiße Zwergen und Neutronensterne lösen

Der Lochkristall ist für den Wissenschaftler vom Institut für Theoretische Physik und Astrophysik auch aus einem weiteren Grund von Interesse: „Wir konnten zeigen, dass er viele Gemeinsamkeiten mit ganz anderen Kristallen, wie etwa Plasmakristallen oder Ionenkristallen, besitzt.“ Besonders reizvoll sei, dass der Lochkristall viele Ähnlichkeiten mit einigen der rätselhaftesten Objekte im Universum – Weißen Zwergen und Neutronensternen – besitzt. In diesen exotischen, weit entfernten Objekten vermutet man die Existenz eines Ionenkristalls. „Wichtige Eigenschaften dieser Systeme“, hofft Bonitz, „lassen sich möglicherweise bald im Labor an einem Lochkristall studieren“.

Dieser ungewöhnliche Kristall sei auch für die Materialforschung von Interesse, so Bonitz, „weil er möglicherweise günstige Voraussetzungen für Supraleitung bietet.“ Während Supraleitung (Stromfluss ohne Widerstand) derzeit nur bei extrem tiefen Temperaturen funktioniert, erwartet z.B. der Physik-Nobelpreisträger von 2003, Alexei Abrikosov, dass Systeme mit einem Lochkristall schon bei wesentlich höheren Temperaturen supraleitend werden. Eine Herausforderung für die Kieler Wissenschaftler und ihre Partner: „Ein wichtiges Ziel unserer weiteren Untersuchungen wird es sein, diese Vorhersagen zu überprüfen“.

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(idw – Universität zu Kiel, 06.12.2005 – DLO)

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