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Medizin

Multiple Sklerose: Ungebremste Zerstörung im Nervensystem

Immunzellen bei MS weniger aktiv

Bestimmte Immunzellen im Blut von Multiple Sklerose-Kranken sind weniger aktiv als bei Gesunden und können teilweise ihre Funktionen nicht mehr erfüllen. Dies hat ein deutsches Forscherteam jetzt im Rahmen einer neuen Studie herausgefunden.

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Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „European Journal of Immunology“ berichten, besitzen diese so genannten regulatorischen T-Zellen eine Schlüsselfunktion bei der Entstehung der MS: Sie halten die Selbstzerstörung des Nervensystems durch Autoimmunreaktionen in Schach. Damit ist möglicherweise ein neuer viel versprechender Ansatzpunkt für innovative Therapien gefunden worden.

An einer Multiplen Sklerose leiden in Deutschland circa 80.000 Patienten. Die Erkrankung beginnt oft im frühen Erwachsenenalter. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die MS ist eine entzündliche Erkrankung des Nervensystems und gehört zu den Autoimmunerkrankungen: Die gestörte Immunabwehr des Körpers greift gesundes Nervengewebe an und zerstört die schützenden Zellhüllen um die Nervenfasern.

Häufig haben MS-Patienten zunächst nur diskrete Empfindungsstörungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühle. Später kommt es in und zwischen Krankheitsschüben zu schwerwiegenden Ausfällen in Gehirn und Nervensystem. Der Mechanismus der Erkrankung ist nicht bekannt. Medikamente können bislang nur die Entzündung und die Schübe dämpfen.

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„In den letzen Jahren sind die regulatorischen T-Zellen vermehrt in das Interesse der Erforschung von Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose gerückt“ erläutert Professor Dr. Brigitte Wildemann von der Universitätsklinik Heidelberg, die zusammen mit ihrem Team und Wissenschaftlern des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg und des Instituts für Immunologie der Universität München die Studie durchgeführt hat. Die regulatorischen T-Zellen besitzen die Fähigkeit, Abwehrzellen, die körpereigene Strukturen angreifen, zu hemmen und sorgen so dafür, dass das Immunsystem im Gleichgewicht bleibt. Ist ihre Funktion gestört, kommt es zu Überreaktionen und gesundes Gewebe wird zerstört.

Proteinabbau in der Isolierschicht der Nervenfasern durch defekte T-Zellen

In der neuroimmunologischen Sprechstunde der Heidelberger Neurologischen Klinik werden MS-Patienten regelmäßig betreut. Die Wissenschaftler nahmen Blutproben von 73 MS-Patienten in einem frühen Krankheitsstadium sowie von der gleichen Zahl gesunder Personen. Beide Gruppen unterschieden sich nicht in der Anzahl regulatorischer T-Zellen, jedoch erwiesen sich die Zellen bei MS-Patienten als weniger funktionstüchtig und aktiv.

Dies hat zur Folge, dass andere Abwehrzellen, die gesunde Strukturen attackieren, nicht oder nur eingeschränkt gestoppt werden. Erstmals konnten die Forscher zudem nachweisen, dass aufgrund des Defekts der regulatorischen T-Zellen auch die Immunantwort gegen einen Proteinbestandteil der Nervenschutzhüllen (myelin oligodendrocyte glycoprotein) gestört ist.

Neue Therapie durch „Reparatur“ der T-Zellen

„Die Befunde sind daher möglicherweise von großer Bedeutung für die Entstehung der Multiplen Sklerose“, erklärt Wildemann. In weiteren Untersuchungen möchte sie nun den Entwicklungsprozess regulatorischer T-Zellen analysieren und klären, warum ihre Aktivität bei MS vermindert ist. Daraus könnte sich ein Behandlungsansatz ergeben: Gelingt es die Funktion der Zellen wiederherzustellen, könnte dies auch die Erkrankung günstig beeinflussen. Dies könnte durch gezielte pharmakologische Beeinflussung erreicht werden.

(idw – Universitätsklinikum Heidelberg, 05.12.2005 – DLO)

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