Die Meeresspiegel steigen – und dies doppelt so schnell wie noch vor 150 Jahren. Das hat eine neue, jetzt in der Zeitschrift Science veröffentlichte Studie ergeben. Mit fast zwei Millimetern pro Jahr ist die Geschwindigkeit des Anstiegs nach Ansicht der Klimaforscher zwar noch kein unmittelbarer Anlass für eine Weltuntergangsstimmung, zeige aber deutlich, dass ihre Sorge um den sich beschleunigenden Klimawandel berechtigt sei.
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Den neuen „Rekord“ des Meeresspiegelanstiegs stellten Kenneth G. Miller, Professor für Geowissenschaften an der amerikanischen Rutgers Universität und seine Kollegen fest, als sie vor der Küste New Jerseys gewonnene Bohrkerne untersuchten. Die 100 Millionen Jahre zurückreichenden Sedimentproben wurden unter anderem auf Sedimenttyp, Fossiliengehalt, Isotopen- und Elementzusammensetzung analisiert und die Daten mit den Ergebnissen anderer Bohrkernuntersuchungen weltweit verglichen.
Und das Ergebnis hatte es in sich: Die Funde der Forscher bestätigen einen nahezu kontinuierlichen Anstieg von einem Millimeter pro Jahr von vor rund 5.000 Jahren bis vor 200 Jahren – und damit einen nur halb so hohen Wert wie alle neueren Messungen durch Satelliten und Gezeitenmessstationen seit 1850.
Beweis für Beschleunigung des Anstiegs
„Ohne verlässliche Informationen darüber, wie sich die Meeresspiegel verändert haben, bevor wir unsere neuen Messtechniken hatten, konnten wir bisher nicht sicher sein, ob nicht die momentane Rate schon die ganze Zeit über angehalten hat“, erklärt Miller. „Jetzt, mit soliden historischen Daten wissen wir, dass es definitiv ein neues Phänomen ist.“
Und nach Ansicht des Forschers bestätigen die Daten auch, dass der Mensch bei dieser Beschleunigung seine Hand im Spiel hat: „Die Hauptsache, die sich seit dem 19. Jahrhundert und dem Beginn der modernen Beobachtungstechniken geändert hat, ist die weit reichende Zunahme der Nutzung fossiler Brennstoffe und der Treibhausgasemissionen. Unsere Ergebnisse liefern daher auch eine neue und verlässliche Basis um den Klimawandel anzugehen.“
Zweifel an bisherigen Annahmen geweckt
Die Ergebnisse Millers und seines Teams scheinen auch einigen weit verbreiteten Annahmen der Geowissenschaften zu widersprechen. Nach Ansicht von Miller müssen die Meeresspiegel vor 100 Millionen Jahren 150 bis 200 Meter niedriger gelegen haben als bisher angenommen. Doch eine so starke Schwankung könne nicht allein durch klimatische Einflüsse erklärt werden, sondern müsse auf Veränderungen in den geologischen Prozessen der Erdkruste zurückgehen. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass vor 100 Millionen Jahren an den Mittelozeanischen Rücken möglicherweise weniger neue ozeanische Kruste gebildet wurde als bisher vermutet.
Doch auch in der späten Kreidezeit schwankten die Meeresspiegel noch mehrfach um mehrere Dekameter. Veränderungen dieses Ausmaßes könnten daher darauf hindeuten, dass die Erde zu dieser Zeit wahrscheinlich nicht so eisfrei war wie angenommen. Denn, so Miller, nur Veränderungen im Eisvolumen könnten Meeresspiegel in diesen Raten variieren lassen. Er postuliert die Existenz von mittelgroßen, aber jeweils kurzlebigen Eisdecken in der Antarktischen Region
(Rutgers University, 28.11.2005 – AHE)