An Bord des größten deutschen Forschungsschiffes, der Polarstern, vermessen in diesen Wochen Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Temperatur der oberen Atmosphäre. Während der rund fünfwöchigen Fahrt von Bremerhaven nach Kapstadt sollen die Messungen von Bord über verschiedene Klimazonen hinweg mit von Satelliten erhobenen Daten verglichen werden. Darüber hinaus erhoffen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über Wellenphänomene, so genannte Schwerewellen, in der Atmosphäre entlang eines Profils von der Nord- zur Südhalbkugel.
Mesopause als Frühwarnsystem für Klimaveränderungen
Die Messungen erfolgen in der so genannten Mesopause – einer Region in etwa 87 Kilometer Höhe. Sie gilt wegen der dort herrschenden geringen Luftdichte als Frühwarnsystem für Klimaveränderungen. Die Luftdichte beträgt in diesem Bereich nur noch etwa ein Millionstel derjenigen am Erdboden. Veränderungen und Trends in der Temperatur sollten daher in der Mesopause viel größer ausfallen und damit früher nachweisbar sein als in den unteren Stockwerken der Atmosphäre.
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Zunehmend wird diese Region daher von Satelliten untersucht. Die Auswertung der Satellitendaten ist jedoch mit Problemen behaftet. Punktgenaue Messungen vom Boden aus, deren Ergebnisse mit den gewonnenen Satellitendaten verglichen werden, sind daher unabdingbar. Erst nach einer Validierung können die Wissenschaftler davon ausgehen, dass die Satelliten korrekte Daten liefern.
Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR hat dazu ein mobiles Infrarot-Spektrometer namens GRIPS 4 (Ground based Infrared P-branch Spectrometer) entwickelt, das nun im Rahmen seines ersten Einsatzes an beziehungsweise von Bord des deutschen Forschungsschiffes Polarstern diese Vergleichsmessungen mit hoher Genauigkeit vornimmt. Mit dem Vorgängermodell GRIPS 3 ist es den Wissenschaftlern bereits gelungen, vom Schneefernerhaus auf der Zugspitze aus exakte Temperaturmessungen in der Mesopause vorzunehmen.
Schwerewellen im Visier
Nachweisbar sind mit GRIPS 4 auch so genannte Schwerewellen, deren Einfluss auf die globalen Luftströme bislang unterschätzt worden ist. Die Schwerewellen werden unter anderem von ausgeprägten Hoch- und Tiefdruckgebieten abgestrahlt und breiten sich häufig bis in die Mesopausenregion aus, wo sie wegen der geringen Luftdichte besonders große Temperaturschwankungen verursachen. Brechen die Wellen, wird die globale Zirkulation abgebremst oder beschleunigt. Dieses Phänomen wird bislang in Klimamodellen nur unzureichend berücksichtigt.
Bei ihrer Arbeit auf dem Atlantik haben die DLR-Wissenschaftler ein weiteres Phänomen beobachtet und festgestellt, dass GRIPS 4 noch leistungsfähiger ist, als bisher angenommen wurde. Das Gerät ermöglicht mit großer Wahrscheinlichkeit sogar die Vermessung der Rotation der Sonne und damit direkt die Beobachtung der Sonnenaktivität – und dies mit hoher Präzision. Finanziert wird die Kampagne von der Europäischen Weltraumorganisation ESA.
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 17.11.2005 – NPO)