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Mikrobiologie

Selbstmord der Hefe aufgeklärt

Neue Therapieansätze gegen Tropenkrankheiten denkbar

Bei Nahrungsknappheit begehen alternde Hefezellen Selbstmord. Das schon länger bekannte Phänomen konnten nun Forscher erstmals erklären: Die Einzeller schützen durch ihren Freitod aktiv ihren „Nachwuchs“. Die jüngeren Zellen haben somit die Chance auf ein längeres Überleben und können am besten die Weitergabe des genetischen Materials der Zellpopulation gewährleisten. Damit ist Altruismus, die Fürsorge für den Arterhalt ohne Rücksicht auf das eigene Wohl, nicht nur auf Mehrzeller beschränkt. Die Ergebnisse könnten einen großen Einfluss auf die Therapiemöglichkeiten von Malaria oder Schlafkrankheit haben, deren Erreger Einzeller sind.

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Wird eine Zelle im Gewebe des menschlichen Körpers geschädigt oder von Viren infiziert, kann ein Programm aktiviert werden, dass den geregelten Selbstmord der Zelle einleitet. Durch die Apoptose, wie der geregelte Zelltod unter Wissenschaftlern genannt wird, opfern sich unbrauchbare oder gar gefährliche Zellen, um das umliegende Gewebe zu erhalten oder

zu schützen. Diese Umprogrammierung einzelner Zellen erscheint vernünftig, wenn man die Überlebenschancen des gesamten Lebewesens betrachtet.

Erstaunen rief aber vor einigen Jahren die Entdeckung von Tübinger Biochemikern hervor, die die Prozesse des geregelten Zelltods auch bei der einzelligen Bäckerhefe nachwiesen. Wozu sollte sich eine Zelle selbst töten, die ja bereits den gesamten Organismus bildet? Jetzt

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liefern Tübinger Forscher in Zusammenarbeit mit den Universitäten von Stanford, Graz und Göttingen die Erklärung nach: Zellen der Bäckerhefe mit dem wissenschaftlichen Namen Saccharomyces cerevisiae zeigen altruistisches Verhalten.

Altruismus

Altruistisches Verhalten ist aus dem Tierreich bekannt etwa bei der Fürsorge der Eltern, Großeltern oder anderer Verwandter für den Nachwuchs oder zum Beispiel im Ameisenstaat, wo die Arbeiterinnen zu Gunsten der Gemeinschaft auf eigene Nachkommen verzichten. Die jüngeren Zellen haben somit die Chance auf ein längeres Überleben und können am besten die Weitergabe des genetischen Materials der Zellpopulation gewährleisten – da die Hefezellen sich durch Abschnürung von Tochterzellen aus der Mutterzelle ungeschlechtlich

vermehren, besitzen die Zellen einer Population das gleiche Erbgut. Die älteren Zellen, die den Apoptoseprozess einleiten, geben Stoffe an die Umgebung ab, die das Überleben anderer Zellen stimulieren.

Die Apoptose in Hefezellen wird häufig durch so genannten oxidativen Stress ausgelöst, die Anreicherung von Sauerstoffradikalen. Bei diesem Signal werden in der Zelle Enzyme aktiviert, die den Zelltod auslösen. Eva Herker und Frank Madeo haben im Experiment den Selbstmord der Hefezellen verhindert, indem sie den Apoptoseprozess unterbrochen haben.

Kurzfristig stellte dies für die alternden Hefezellen einen Überlebensvorteil dar. Doch offenbar häuften sich in der Population daraufhin geschädigte Zellen an, die nicht weiter wachsen konnten. Auf lange Sicht waren Populationen im Vorteil, in denen sich ein Teil der

Zellen umgebracht hatte. Für Hefepopulationen ist somit der Selbstmord von einzelnen Zellen nicht nur sinnvoll, sondern für die Gesamtpopulation sogar überlebenswichtig.

Therapiemöglichkeit von Tropenkrankheiten

Die Forschungsergebnisse haben weit reichende Bedeutung für verschiedenste Gebiete der modernen Medizin. So ist der aktive Zelltod von Einzellern ein möglicher Therapieansatz bei tropischen Erkrankungen wie Malaria oder der Schlafkrankheit, deren Erreger Einzeller sind.

Mittlerweile benutzen weltweit etwa 50 Arbeitsgruppen die vergleichsweise einfach zu züchtende und zu vermehrende Hefe als Modellorganismus für die Erforschung der Apoptose. Denn Störungen des geregelten Zelltods spielen bei schweren Krankheiten des Menschen wie

Aidsinfektionen, Krebs oder auch neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle.

(idw – Eberhard-Karls-Universität Tübingen, 20.02.2004 – AHE)

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