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Materialforschung

„Schmutz“ macht Perlmutt wellig

Neue Details über den Aufbau der Kalkplättchen entdeckt

Schale von Haleotis Laevigata mit Zoom in die Feinstruktur © MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung

Perlmutt, „die Mutter der Perlen“, ist nicht nur ein schillerndes Material, das den Betrachter durch seine irisierenden optischen Eigenschaften beeindruckt, sondern auch ein hervorragender Werkstoff. Perlmutt besteht zu mindestens 97 Prozent aus Kalk, hat aber eine tausend Mal höhere Bruchfestigkeit als dieser. Ursache hierfür ist der Schichtaufbau des Perlmutts. Forscher haben jetzt entdeckt, dass die Oberfläche der Kalkplättchen keineswegs so geordnet ist, wie bisher angenommen.

Nach Ansicht der Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) ist deshalb eine Steuerung des Kristalls durch geordnete Schichten auf der organischen Matrix ausgeschlossen. Das Verständnis der Feinstruktur von Perlmutt und seiner Entstehung ist wichtig, um dieses raffinierte Bauprinzip bei neuen Materialien nachahmen zu können.

Perlmutt ist seit langem als interessantes Material bekannt. Seither versucht man, die Ursachen seiner erstaunlichen Eigenschaften aufzudecken. Seine außergewöhnliche Bruchfestigkeit verdankt es einem schichtförmigen Aufbau aus weichen organischen Schichten und harten Kalkplättchen.

Gelänge es uns auch nur im Ansatz, dieses Bauprinzip zu kopieren, käme es zu einer Revolution in der Bauindustrie. Festere Gipskartonplatten oder leichtere Betonteile bei gleicher Festigkeit sind das potentielle Ziel dieser biomimetischen Materialforschung. Zudem kristallisieren die Kalkplättchen im Perlmutt als Aragonit – einer Kristallform, die unter Umgebungsbedingungen normalerweise nicht stabil ist. Bisher nahm man an, dass diese Kristallisation der Kalkplättchen durch geordnete Eiweißschichten bestimmt wird, die auf einer vorgeformten Chitinschicht liegen. Chitin findet man in der Natur beispielsweise als Gerüstmaterial von Insektenpanzern.

Bisherige Annahmen widerlegt

Bruchfläche von Perlmutt im Rasterelektronenmikroskop © MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung

Doch diese Annahmen sind nach den neuen Erkenntnissen der Max-Planck- Wissenschaftler nicht richtig. An Stelle der geordneten kristallinen Schicht, die in Kontakt mit der organischen Matrix stehen soll, fanden die Wissenschaftler winzige, nur fünf Nanometer dicke Schichten von amorphem, also ungeordnetem Kalziumkarbonat an der Oberfläche der einkristallinen Plättchen im Perlmutt.

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Diese ungeordnete und gewellte Oberfläche spricht gegen die postulierte spezifische Wechselwirkung zwischen dem anorganischen Material und der organischen Matrix. Dieser Befund konnte durch 13C- und 1H-Festkörper-Kernresonanzspektroskopie eindeutig belegt werden. Darüber hinaus detektierten die Forscher in Kernresonanzexperimenten den amorphen Charakter der Oberflächenschicht und schlossen jede Wechselwirkung dieser Schicht mit dem organischen Gerüstmaterial aus.

Verunreinigungen in der Oberfläche

Der Grund für die Existenz und Ausbildung der ungeordneten Deckschicht auf dem Kristall könnte darauf beruhen, dass sich Verunreinigungen in der Oberflächenschicht anreichern. Bei der Kristallisation werden diese nicht in das geordnete Kristallgitter eingebaut, ähnlich wie beim Zonenschmelzprozess in der Metallurgie.

Wie die Forscher in der Fachzeitschrift PNAS berichten, könnte die amorphe Schicht (ACC) noch eine weitere Funktion haben. Sie ersetzt die bisher angenommene direkte Wechselwirkung der hochenergetischen (001) Aragonit-Fläche durch eine Gradientenschicht aus Aragonit, ACC und organischer Matrix. Die Grenzflächenenergien dürften hier deutlich niedriger liegen und damit könnte auch eine thermodynamische Triebkraft für die Ausbildung einer amorphen Deckschicht existieren. Woher letztendlich die kristallographische Orientierung der Plättchen rührt, ist bislang noch nicht aufgeklärt. In der neuen Studie gehen die Wissenschaftler von einer Ladungsanziehung zwischen den anorganischen Plättchen und der organischen Matrix aus.

(idw – MPG, 04.10.2005 – DLO)

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