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Dinosaurier als Leichtbaukünstler

T-Rex und seine Atemphysiologie

Dinosaurier-Eier waren etwa so groß wie die des Vogel Strauß, aber was aus ihnen schlüpfte, erreichte bis zu hundert Tonnen Lebendgewicht – dachten Wissenschaftler zumindest bisher. Doch der Riesenwuchs der Urechsen gibt noch viele Rätsel auf. Wie lebt es sich, wenn man wegen seines hohen Gewichts mit extremen Schwerkraftbedingungen kämpfen muss? Und wie bleibt man als Schwergewicht wendig und schnell genug, um zu überleben?

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An diesen und anderen Fragen rund um die Ökologie der Dinosaurier arbeitet zurzeit Professor Dr. Steven Perry von der Universität Bonn, der sich mit dem Atmungssystem der einstigen Weltbeherrscher beschäftigt. Es muss enorm leistungsfähig gewesen sein, um die Riesenechsen auf Trab und bei Puste halten zu können. Denn zwischen der Fähigkeit der Lunge, Gas auszutauschen, und der Körpergröße eines Lebewesens besteht ein direkter Zusammenhang.

Die Forscher um Prof. Dr. Perry konzentrieren ihre Arbeit auf eine ganz bestimmte Sauriergruppe: die zweibeinigen Theropoden, die so genannten „Tierfüßer“. Zu ihnen gehörten neben einigen hühnergroßen Vertretern auch so erfolgreiche Räuber wie T-Rex. Da bisher weltweit kein fossiles Lungengewebe von Dinosauriern entdeckt wurde, sind die Wissenschaftler auf indirekte Hinweise angewiesen, um den Atmungsmechanismus dieser Dinosauriergruppe rekonstruieren zu können. Perry stützt sich dabei auf Untersuchungen von Wirbel- und Rippenstrukturen.

Ausgefeiltes Atmungssystem

Teile des Atmungsorgans waren an den Rippen angewachsen, so dass sich mit jeder (Rippen-)Bewegung des Tieres auch das Atmungsorgan und die in ihm enthaltene Atemluft bewegte. So kostete die Atmung kaum zusätzliche Energie. Außerdem fanden sich bei einigen Theropoden an den Rückenrippen kleine „Hebelarme“ – so genannte Hakenfortsätze. In seiner Dissertation von 2004 bringt Dr. Jonathan Codd, Mitglied in Perrys Arbeitsgruppe, diese Hakenfortsätze mit der Atemmechanik der Saurier in Verbindung. Laut Codd sorgten sie für ein besonders günstiges Drehmoment bei der Einatmung, was die Atemkraft entscheidend erhöht.

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Beide Merkmale – an den Rippen angewachsenes Lungengewebe und Hakenfortsätze – sind auch von den meisten Vögeln bekannt. Daher ähnelt auch das von Perry und seinen Kollegen entworfene Modell der Dinosaurieratmung dem geläufigen Modell der Vogelatmung. Das Atmungsorgan von Vögeln besitzt getrennte Bereiche für Luftspeicherung und Gastaustausch. Der findet wie bei uns in der Lunge statt. Zur Luftspeicherung besitzen Vögel jedoch sieben bis neun Luftsäcke, was ihnen die Möglichkeit gibt, mit jedem Atemzug eine große Luftmenge aufzunehmen. Die Luft durchfließt das Gasaustauschgewebe ihrer Lunge mehrmals, so wird die eingeatmete Luft besser ausgenutzt. Zudem ist bei Vögeln der Luftstrom immer senkrecht zum Blutfluss gerichtet. Dieses „Kreuzstrommodell“ macht die Vogelatmung besonders effektiv, denn sie bewirkt, dass nach dem Einatmen der Sauerstoffanteil im Blut höher ist als der in der ausgeatmeten Luft.

Die Wissenschaftler glauben, dass auch das Atmungsorgan der Dinosaurier aus zwei unterschiedlichen Bereichen bestand: aus Luftkammern und aus der eigentlichen Lunge. Möglicherweise haben die Dinosaurier sogar schon von den Vorteilen des Kreuzstrommodells profitiert.

Kreuzstrommodell wie bei heutigen Vögeln

Jetzt sollen neue Computermodelle helfen, diese Annahmen zu untermauern, „denn der Teufel steckt bekanntlich im Detail“. Die neuen Berechnungen beziehen neben den Rippen auch Muskeln mit ein. So können die Wissenschaftler wesentlich genauer prüfen, ob die Möglichkeiten der Rippenmechanik der Dinos mit dem von ihnen entwickelten Modell zusammenpassen.

Bestätigen sich Perrys Annahmen und hatten sich einige Sauriergruppen bereits die Effektivität eines Atmungssystems auf Basis von Luftspeicherung zu nutze gemacht, rückt dies die massigen Kolosse in ein ganz neues Licht: Die behäbigen Schwergewichte wären wahre Leichtbaukünstler gewesen. Denn die vielen Hohlräume zur Luftspeicherung in ihrem Rumpf – und vermutlich auch in ihrem Hals – würden ihr bisher vermutetes Gewicht von hundert Tonnen nahezu halbieren. Damit wäre ihnen ein Husarenstück der Baukunst gelungen: Sie hätten gigantische Ausmaße auf leichte Weise realisiert.

(Cornelia Reichert/RCOM, 07.09.2005 – AHE)

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