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Astronomie

Heißes Plasma umhüllt die Milchstraße

Karte erfasst Wasserstoffwolken in der Heimatgalaxie

Verteilung des Wasserstoffgases in der Milchstraße © RAIUB

Die Milchstraße ist in einen „Mantel“ aus 1,4 Millionen Grad heißem Plasma gehüllt, der aus ionisiertem Wasserstoff besteht. Dies haben Astronomen im Rahmen einer Studie festgestellt, bei der sowohl der Nord- als auch der Südhimmel nach dem Gas durchsucht wurde.

Knapp 150 Jahre nach der „Bonner Durchmusterung“ des nördlichen Sternenhimmels durch Friedrich Wilhelm Argelander kommt nun ein weiteres astronomisches Mammutprojekt unter Bonner Federführung zum Abschluss: 1986 hatten Astronomen aus Leiden die Idee, den vollständigen Nordhimmel nach Anzeichen von Wasserstoff zu durchsuchen, und baten ihre Kollegen vom Institut für Radioastronomie der Universität Bonn um Mithilfe.

Seit 1994 beobachten die Forscher zusätzlich in Argentinien, um auch den Südhimmel zu erfassen. Die Astronomen haben jetzt in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics die erste Karte, auf der die Wasserstoffwolken in der Milchstraße lückenlos und fehlerfrei erfasst sind, vorgestellt.

Wasserstoff ist gewissermaßen die „Urmaterie“ unseres Universums: Es ist das erste Element, das nach dem Urknall entstand. Obwohl das häufigste Element im Weltraum, ist das durchsichtige Gas nur schwierig nachzuweisen. Wasserstoff ist aber ein Radiosender: Er strahlt Radiowellen mit 21 Zentimeter Wellenlänge aus, die sich auf der Erde durch große Parabolantennen auffangen lassen. Im Radiospektrum bilden sie die berühmte „21cm-Linie des Wasserstoffs“.

„Für uns ist die 21cm-Linie unter anderem deshalb so interessant, weil sie Aufschluss über die Verteilung und Bewegung des interstellaren Mediums gibt“, erklärt Peter Kalberla vom Radioastronomischen Institut der Universität Bonn (RAIUB). Möglich wird das durch die so genannte Dopplerverschiebung: Ähnlich wie die Sirene eines Polizeiwagens heller klingt, wenn er auf den Beobachter zufährt, sendet auch „Radio Wasserstoff“ auf höherer Frequenz, wenn sich die Wolke auf den Empfänger zubewegt. Dadurch verschiebt sich die Wasserstofflinie zu etwas kürzeren Wellenlängen, also in Richtung 20 Zentimeter.

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1,4 Millionen Grad heißes Plasma

Indirekt lässt sich mit dem Doppler-Effekt sogar die Temperatur des interstellaren Mediums messen: Wie bei einem Gewitter auf der Erde herrschen in heißen Wasserstoff-Wolken sehr turbulente Bedingungen. Es bilden sich Wirbel, in denen sich Teile des Gases auf die Erde zubewegen, während gleichzeitig andere Teile von ihr wegströmen.

Dadurch sendet der Wasserstoff auf verschiedenen Wellenlängen; die – eigentlich scharfe – 21cm-Linie „fließt“ auseinander. Je heißer die Wolke, desto mehr Turbulenzen und desto „breiter“ das Wasserstoff-Signal, das dann aus vielen einzelnen filigranen Linien besteht.

Mit Hilfe der neuen Daten konnten die RAIUB-Astronomen bereits zeigen, dass die Milchstraße in ein ausgedehntes 1,4 Millionen Grad heißes Plasma eingebettet ist – ganz analog zur Sonnenkorona. In diesem Plasma aus ionisiertem Wasserstoff „schwimmen“ kleine Flocken aus neutralem Wasserstoff, die sich im Radiobild bemerkbar machen.

Nacht der langen Messer

„Wir haben erstmals den kompletten Nord- und Südhimmel nach der 21-cm- Linie durchmustert“, erklärt Kalberla. Dazu nutzten die Forscher neben dem 25-Meter-Radioteleskop im niederländischen Dwingeloo seit 1994 auch ein 30-Meter-Teleskop in Argentinien. „Was den Datensatz besonders wertvoll macht, ist seine hohe Messempfindlichkeit. Zudem konnten wir durch ein spezielles Rechenverfahren die Bildfehler, die bei Radioteleskopen unvermeidbar auftreten, um den Faktor 30 reduzieren.“

Dadurch können die Daten in den nächsten Jahren auch als Referenzwerte für größere Teleskope dienen, beispielsweise das 100 -Meter-Teleskop in Effelsberg. Das liefert zwar detailreichere Aufnahmen, hat aber gleichzeitig systematische Bildfehler, die mit Hilfe des neuen Datensatzes erkannt und korrigiert werden können.

Auch das deutsch-niederländisch-argentinische Team hatte bei seinem Mammutprojekt mit unerwarteten Fehlern zu kämpfen. „Manche Geräte, mit denen wir arbeiteten, sendeten selbst Radiowellen aus und führten dadurch zu unerwarteten Störungen in den Teleskopbildern“, erinnert sich Kalberla. „Irgendwann einmal haben wir in einer ‚Nacht der langen Messer‘ nach und nach jeden Computer und jede einzelne Webcam abgeschaltet, bis die Störungen endlich aufhörten.“ Nur die Teleskopsteuerung blieb übrig.

(idw – Universität Bonn, 06.09.2005 – DLO)

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