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Zeitreise ins Eis

Europäische Polarforscher betreten Neuland in der Eiskernforschung

Kohnenstation in Dronning Maud Land (Antarktis) © H. Fischer / AWI

Hitzewellen, Überschwemmungen, Dürreperioden – das Wetter wird scheinbar immer extremer. Doch nicht nur das subjektive Gefühl jedes Einzelnen sondern auch die wissenschaftlichen Fakten zeigen, dass sich das Klima in den letzten Jahrzehnten im Vergleich zu den Jahrhunderten zuvor stark gewandelt hat. Aber gilt das auch für den Vergleich mit früheren Jahrtausenden oder sogar vergangenen Warmzeiten der jüngeren Klimageschichte? Mittlerweile können Forscher mithilfe von Eiskernbohrungen rund 800.000 Jahre in die Klima-Geschichte blicken. Aus dem Klima der Vergangenheit können sie auch eine Prognose für die Zukunft wagen: Ohne menschlichen Einfluss würde unsere heutige Warmzeit vermutlich noch bis zu 15.000 Jahre andauern.

Nur natürliche Klimaarchive, wie zum Beispiel Meeres- und Seesedimente, Baumringe, Korallen oder Eisbohrkerne sind in der Lage, die Klimakapriolen der Vergangenheit zu entschlüsseln. Polare Eisbohrkerne sind dabei besonders wichtig, da sie in der Lage sind, Änderungen der Klimabedingungen wie Temperatur, Niederschlag oder die atmosphärische Zirkulation über mehrere 100.000 Jahre in zum Teil saisonaler Auflösung aufzuzeichnen. Zugleich sind sie aber auch das einzige Archiv, mit dem die Zusammensetzung der Atmosphäre der Vergangenheit anhand kleiner im Eis eingeschlossener Luftblasen bestimmt werden kann. Polare Eisbohrkerne geben somit unmittelbar Aufschluss über die Kopplung von Klima und Treibhausgasen in der Vergangenheit.

Klimaschwankungen: Alltag in der Erdgeschichte

Um den Klimakapriolen der Erdgeschichte auf die Spur zu kommen, hatten europäische Polarforscher bereits in den 90er Jahren in Zentralgrönland erfolgreich den tiefen GRIP (Greenland Ice Core Projekt) Eiskern erbohrt. Dieser dokumentiert in einzigartiger Detailliertheit die Klimavariationen des Nordatlantikraums über die letzten circa 100.000 Jahre. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass schnelle Klimaschwankungen im Nordatlantikraum während der letzten Eiszeit mehr die Regel als die Ausnahme waren.

Von diesem Erfolg ermutigt, entschlossen sich die beteiligten Institute aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, der Schweiz und Großbritannien mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und der European Science Foundation in der Antarktis ein noch aufwändigeres Bohrprogramm zu starten. Im Rahmen des EPICA (European Project for Ice Coring in Antarctica) Projekts werden derzeit zwei tiefe Eisbohrkerne erbohrt. Deutscher Projektpartner ist das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven.

Bohrung bis zum Felsuntergrund

Ein Eiskern wird "filetiert" © E.Wolff / British Antarctic Survey

Eine der EPICA Bohrungen liegt erstmals in Dronning Maud Land (DML), im atlantischen Sektor der Ostantarktis und stellt deshalb das südhemisphärische Gegenstück zu den grönländischen Eisbohrkernen dar. Bisher wurden in DML bereits rund 2.550 Meter Eiskern oder entsprechend 180.000 Jahre Klimageschichte erbohrt. Im kommenden Südsommer wollen die Forscher unter Leitung des AWI die letzten noch ausstehenden 200 Meter bis zum Felsuntergrund aus der Tiefe holen.

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Auf der anderen Seite der Ostantarktis wurde an Dome C in der vergangenen Feldsaison die zweite Tiefbohrung (3260 m tief) erfolgreich beendet. Hier stehen circa 800.000 Jahre ungestörte Klimageschichte zur Verfügung. Das ist fast doppelt so viel als in jedem anderen Eisbohrkern zuvor. Der neue Eiskern zeigt, dass die drei Warmzeiten zwischen 450.000 und 740.000 Jahren vor heute deutlich kühler als die der darauf folgenden 420.000 Jahre waren. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich diese Warmzeiten auch in Bezug auf den Gehalt an Treibhausgasen und Aerosolen anders als spätere Warmzeiten verhalten haben. Basierend auf der Dauer früherer Warmzeiten schließen die Wissenschaftler aus dem Dome C Kern, dass unsere heutige Warmzeit ohne menschlichen Einfluss vermutlich noch weitere 15.000 Jahre andauern würde.

(Hubertus Fischer (AWI), 02.09.2005 – AHE)

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