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Biologie

Steinzeitmenschen schmeckten bitter besser

Empfindlicherer Rezeptor schützte vor Pflanzengift

Schmeckt bitter: Radicchio © IMSI MasterClips

Wer in der Steinzeit durch seinen Geschmackssinn vor dem Verzehr giftiger Substanzen gewarnt wurde, hatte gegenüber weniger geschmacksempfindlichen Menschen einen deutlichen Selektionsvorteil. Das deuten neue genetische Untersuchungen eines „Bittergeschmack- Gens“ an, die ein internationales Wissenschaftlerteam durchgeführt hat.

Die Forscher, darunter Professor Wolfgang Meyerhof und Bernd Bufe vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE), analysierten die Erbsubstanz von 997 Menschen aus 60 verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Hinblick auf genetische Variationen eines bestimmten Geschmacksrezeptors. Dieser ist für die Wahrnehmung von Bitterstoffen wichtig, aus denen beim Verzehr giftige Zyanide freigesetzt werden. Derartige Stoffe sind in Nahrungsmitteln wie beispielsweise Bittermandeln oder Maniok enthalten.

Mutation in der Steinzeit

Nach Auswertung der vorliegenden Daten trat während der Steinzeit, vor rund 80.000 – 800.000 Jahren, in diesem Geschmacksrezeptor-Gen eine Mutation auf, die zu einer neuen Rezeptorvariante führte. Ihre funktionelle Untersuchung zeigt, dass diese empfindlicher ist als die ursprüngliche. Daher sollten Träger der „neuen“ Genvariante zyanidhaltige Stoffe bereits in geringeren Konzentrationen als bitter wahrnehmen als die Träger der „alten“.

Urmenschen mit „neuer“ Variante könnten infolgedessen eine natürliche Abneigung gegenüber giftigen, zyanidhaltigen Pflanzen entwickelt haben, woraus sich ein deutlicher Selektionsvorteil ergibt, mutmaßen die Forscher. Für ihre Theorie spricht, dass heute, mit Ausnahme der Afrikaner, 98 Prozent aller Menschen Träger der „neuen“ Genvariante sind.

Bitterstoffe als Malariaschutz

Interessanterweise sind 13,8 Prozent der Afrikaner mit der ursprünglichen, weniger empfindlichen Variante des Bitterrezeptors ausgestattet. Die Forscher vermuten hier einen Zusammenhang mit dem Auftreten von Malaria. So kann ein chronischer Verzehr geringer Mengen zyanidhaltiger Nahrung zu einer Zyanid-induzierten Sichelzellanämie führen, die einen gewissen Schutz vor einer tödlich verlaufenden Malariainfektion bietet. Für diese Theorie spricht auch die geographische Verteilung der ursprünglichen Genvariante, die ungefähr der Verteilung von Malaria-Resistenz-Genen entspricht.

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„Die untersuchten Genvarianten haben in der Vergangenheit vermutlich eine wichtige Rolle für das Ernährungsverhalten gespielt und die menschliche Evolution beeinflusst, daher liegt der Gedanke nahe, dass sie sich auch auf unser heutiges Essverhalten auswirken,“ so Wolfgang Meyerhof, Leiter der Abteilung Molekulare Genetik am DIfE.

„Der Selektionsvorteil von damals scheint sich allerdings heute ins Gegenteil zu verkehren, da viele Menschen bestimmte Gemüse ablehnen, weil sie bitter schmecken, obwohl ihr Verzehr das Risiko für bestimmte Krebs- oder Herz-Kreislauferkrankungen senken kann. Die Lebensmittelindustrie ist daher bemüht, den Bitterstoffanteil in der Nahrung zu reduzieren. Neue Erkenntnisse über die „genetische Programmierung“ des Geschmacks könnten zudem dazu beitragen, die Akzeptanz gesunder, aber bitter-schmeckender Lebensmittel zu erhöhen.“

(Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke, 27.07.2005 – NPO)

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