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Biologie

Nachhilfe für zelluläre „Zugseile“

Aktin führt Chromosomen bei Zellteilung zum Ziel

Während der Zellteilung werden die Chromosomen durch spezielle Fasern, die Mikrotubuli, auseinandergezogen. Doch das schaffen sie nicht allein: Das Molekül Aktin muss ebenfalls mithelfen. Wissenschaftler haben damit die bisher allgemein anerkannte Version vom Alleingang der Mikrotubuli als „zelluläre Zugseile“ widerlegt und berichten dies in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature.

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In einer Untersuchung am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) fanden die Forscher heraus, dass die Chromosomen in großen Zellen wie tierischen Keimzellen ihren Zielort nur mit Hilfe einer weiteren Substanz erreichen: Fasern des Zytoskelettmoleküls Aktin. „Dass Aktin tatsächlich Chromosomen bewegt, hat bisher noch niemand aufzeigen können,“ erklärt EMBL-Wissenschaftler Dr. Jan Ellenberg, dessen Forschungsgruppe die Untersuchung durchführte. „Wir gehören zu den wenigen Gruppen, die über die Zellteilung beim Seestern forschen – einem idealen Modell für die Beobachtung an lebenden Tierzellen.“

Seestern als Modell

Tatsächlich eignet sich der Seestern hervorragend zur Untersuchung von Oozyten: Bei dem Meerestier sind diese Vorläufer der Eizelle durchsichtig und reifen außerhalb des Körpers heran, so dass sie in einem Tropfen Meerwasser überlebensfähig sind. Einen Teil ihrer Experimente führten die EMBL-Wissenschaftler daher auch in Zusammenarbeit mit dem Marine Biological Laboratory von Woods Hole im US-Bundesstaat Massachusetts durch – am lebenden Objekt, frisch aus dem Ozean.

Gemeinsam untersuchten Ellenberg und Doktorand Péter Lénárd die Seestern-Oozyten während der Meiose. In diesem besonderen Stadium der Zellteilung wird die Anzahl der Chromosomen in einer Eizelle auf die Hälfte reduziert, bevor sie mit einem Spermium verschmilzt. Bisher war man davon ausgegangen, dass die Chromosomen nach dem Zusammenbruch der sie umgebenden Kernmembran dabei von Mikrotubuli wie an Seilen an die Oberfläche gezogen und zur Hälfte aus der Zelle gewiesen werden.

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„Zugseile“ zu kurz

Eine Messung der Mikrotubuli aber zeigte den EMBL-Wissenschaftlern, dass diese Zugseile viel zu kurz waren, um die Chromosomen über eine derart weite Strecke bis an die Außenwand der großen Oozyte zu transportieren. Mehr noch: Als die Forscher darauf die Mikrotubuli mittels einer chemischen Substanz außer Gefecht setzten, konnten die Zellen unverändert ihre Chromosomen an die korrekten Positionen transportieren.

Die Forscher wiederholten das Experiment mit einer Substanz, die den zweiten Zellfasertyp ausschaltet: das Aktin. Prompt waren die Zellen außer Stande, den Weg ihrer Chromosomen zu verfolgen; es entstanden Zellen mit ungleichmäßig verteiltem Genmaterial. Diese so genannte Aneuploidie gilt als eine der Hauptursachen für Fehlgeburten und einige Geburtsfehler.

Bedeutung auch menschliche Fortpflanzung

Nach anderthalbjähriger Arbeit und mit Unterstützung von Wissenschaftlern des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) hatte Lénárt eine bildgebende Technologie zur Sichtbarmachung der zarten Aktinfasern so weit optimiert, dass er den entscheidenden Durchbruch der Forschungsgruppe bestätigen konnte. Dort, wo die Kernmembran zerfällt, beobachtete er die Entstehung eines Netzwerks aus Aktinfilamenten. Wie ein Fischernetz fängt es sämtliche Chromosomen ein und führt sie den kurzen Mikrotubuli zu. Erst bei ausreichend kurzer Distanz können diese andocken und die Hälfte der Chromosomen aus der Zelle ziehen.

Die Implikationen dieser Pioniersarbeit liegen nach Ansicht der Forscher auf der Hand: Denn in vielem gleichen die Oozyten von Seesternen denen anderer Lebewesen, einschließlich des Menschen. Da in erster Linie dieser Mechanismus den Verlust von Chromosomen vor der Befruchtung verhindert, könnten weitere Erkenntnisse in diesem Bereich zu den Ursachen von Fehlgeburten und Geburtsfehlern führen.

(European Molecular Biology Laboratory (EMBL), 14.07.2005 – NPO)

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