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Biologie

Spermien: Teamarbeit der Musterknaben

Strömungen statt chemische Signale schaffen Ordnung

Selbst-organisiertes Muster von Spermien, rechts: Strudel-Erzeugung © MPI für molekulare Zellbiologie und Genetik

Viele Muster in der Natur entstehen aufgrund chemischer Signale zwischen Zelle, doch es geht auch anders: Spermien, aber möglicherweise auch Flimmerhärchen in unseren Bronchien, ordnen sich beispielsweise mithilfe von selbst erzeugten Strömungen in Mustern an. Das haben Wissenschaftler jetzt erstmals nachgewiesen.

Forscher um Jonathon Howard am Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik stellten bei der Untersuchung von Seeigel-Spermien fest, dass sich diese bei ausreichender Konzentration in symmetrischen Mustern organisieren können: Dann schwimmen jeweils etwa zehn Spermien umeinander und bilden eine Art kreisrunden Strudel. Viele dieser Strudel zusammen ordnen sich dann wiederum in sechseckigen Formationen an.

Diese Beobachtung zeigt, dass sich Spermien oder ähnlich geartete biologische Organellen, wie etwa Flimmerhärchen in der Lunge, in wahrer Teamarbeit ab einem kritischen Punkt zu dynamischen Mustern arrangieren und damit effektiver ihre Funktion erfüllen können. Die Musterbildung geschieht in Selbstorganisation, ohne chemische Signale, und wird nur durch hydrodynamische Interaktionen vermittelt. Noch stehen diese Erkenntnisse im Kontext der Grundlagenforschung, doch könnten sie von Bedeutung für die Medizin sein, etwa im Fall von Unfruchtbarkeit oder bei Asthma.

Die Schwänzchen von Spermien arbeiten wie Flimmerhärchen: Interne biomolekulare Motoren sind so fein aufeinander abgestimmt, dass eine wohl koordinierte Schlagbewegung des Schwanzes das Spermium ins Schwimmen versetzt und fortbewegt. Das Forscherteam um Jonathon Howard untersucht speziell die Spermien von Seeigeln und machte dabei nun einen überraschenden Befund: Ab einer bestimmten Dichte, etwa 2.500 Spermien pro Quadratmillimeter, organisieren sich die umherschwimmenden Keimzellen auf einer glatten Oberfläche zu kleinen Strudeln.

„Dass wir auf diese Muster gestoßen sind, war eine riesige Überraschung“, so Ingmar Riedel, Doktorand im Forschungslabor von Howard, „denn immerhin werden Spermien seit mehr als hundert Jahren eingehend erforscht, doch dieses Muster hat bisher niemand bemerkt.“

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Die Dresdner Forscher unterlegten ihre Beobachtungen mit einem theoretischen Modell und konnten damit sogar die Kraft der hydrodynamischen Interaktion zwischen den einzelnen Spermien errechnen: Sie liegt bei ungefähr 0,03 Pikonewton. Diese Kraft reicht aus, um eine Koordination der Keimzellen zu ermöglichen und großflächige Musterformationen zu erstellen. Erstaunlich ist dabei vor allem, dass keinerlei chemische Signale nötig sind, damit sich die Samenfäden zu diesen Mustern selbst organisieren.

(MPG, 11.07.2005 – NPO)

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