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Neurobiologie

Wenn das Gehirn den Stadtplan verzerrt

Orientierungsfähigkeit hängt von zwei Gehirnbereichen ab

Sich in einer fremden Stadt nicht gleich zurechtzufinden ist nichts Ungewöhnliches. Doch bei vielen Menschen mit Hirnerkrankungen, etwa einem Schlaganfall, ist die räumliche Orientierung so stark gestört, dass sie sich auch mit Stadtplan und mehrfachem Abgehen eines Weges immer wieder verirren. Welche Hirnschädigungen zu solchen Störungen führen, war bisher jedoch kaum bekannt. Jetzt ist es Wissenschaftlern gelungen, zwei Gehirnbereiche als „Übeltäter“ für diese Orientierungslosigkeit zu identifzieren.

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Die Forscher des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsverbundes „NeuroImage Nord“ machten den retrosplenialen Kortex und den Hippokampus als zwei Gehrinregionen, die für die räumliche Orientierung entscheidend sind, dingfest.

Der retrospleniale Kortex, ein Areal im hinteren Teil des Gehirns, ist wichtig für die Navigation. „Wir vermuten, dass der retrospleniale Kortex verschiedene Arten von Informationen miteinander verknüpft, die für die räumliche Orientierung wichtig sind. Dazu gehören Informationen über unsere Geschwindigkeit, über die Distanzen und über charakteristische Wegmarken“, erklärt Diplom-Psychologe Thomas Wolbers vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Der retrospleniale Kortex sortiert die Daten und leitet sie an den Hippokampus weiter, der an der Basis des Gehirns liegt. „Der Hippokampus nimmt die Informationen auf, die ihm vom retrosplenialen Kortex und anderen Strukturen geliefert werden, und baut sie in eine Art Landkarte ein“, so Wolbers. „Anhand dieser Landkarte bewegen wir uns in unserer Welt.“

Virtueller Spaziergang für die Forschung

Für ihre Studie hatten die Hamburger Forscher 17 gesunde Testpersonen untersucht. Über Monitore wurden ihnen Bilder von Straßen, Kreuzungen, Mauern und Häusern gezeigt. Wie bei einem modernen Computerspiel bewegten sich die Studienteilnehmer so durch eine fremde Stadt. Ein Kernspintomograph zeichnete während dieses virtuellen Spazierganges Schnittbilder ihrer Gehirne auf. Die Bilder gaben den Forschern Auskunft darüber, welche Hirnregionen aktiv waren, als die Testpersonen versuchten, sich in der unbekannten Umgebung räumlich zu orientieren.

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Alle Teilnehmer wiederholten denselben virtuellen Spaziergang sechsmal. Nach jedem Durchgang beantworteten sie Fragen zur virtuellen Stadt: etwa wie man von Punkt A nach B kommt. Am Ende der Untersuchung zeichneten sie aus dem Gedächtnis einen Stadtplan. Die Ergebnisse machen deutlich, dass sich das Orientierungsvermögen der Menschen beträchtlich unterscheidet. Einige Studienteilnehmer fanden sich selbst nach sechs Besuchen in der virtuellen Stadt kaum in ihr zurecht.

Die Versuchspersonen, bei denen der retrospleniale Kortex während des virtuellen Spazierganges sehr aktiv war, konnten die Orientierungsaufgaben nach der Untersuchung besonders gut lösen. Die Aktivität des Hippokampus dagegen, so stellten Wolbers und sein Team fest, hing davon ab, wie viel Wissen über das Stadtbild bereits erworben worden war. Während der ersten Spaziergänge, bei denen die Studienteilnehmer besonders viel Neues lernen mussten, war der Hippokampus sehr beschäftigt. Als sich die Versuchspersonen in der virtuellen Stadt schon gut zurechtfanden, nahm die Aktivität in dieser Hirnregion wieder ab.

(NeuroImage Nord, 24.06.2005 – NPO)

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