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Astronomie

Sonnenflecken „rollen“ langsam

Strömung in der Umgebung von Sonnenflecken vermessen

Modell eines Sonnenflecks © SOHO (NASA/ESA)

Die Oberfläche der Sonne befindet sich in ständigem Wandel. Besonders auffällige Spuren dieser Veränderungen sind Sonnenflecken. Die Strömungen, die ihre Form und Entwicklung steuern, haben jetzt erstmals Göttinger Wissenschaftler exakt vermessen.

Mittelpunkt der Analysen waren die Bewegungen der rund um Sonnenflecke gelagerten kleinen magnetischen Gebiete, die durch rollenförmige Strömungen unter der Sonnenoberfläche verursacht werden. Diese magnetischen Gebiete bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von 300 Metern pro Sekunde – das entspricht der Schallgeschwindigkeit auf der Erde – tendenziell strahlenförmig nach außen. Je weiter sie sich vom Sonnenfleck entfernen, desto langsamer wird ihre Bewegung, bis sie in einem Abstand von 10.000 Kilometern zum Stillstand kommen.

Zu diesem Schluss gelangt Eberhard Wiehr, Akademischer Direktor an der Universitäts-Sternwarte, der mit einem neuen Verfahren Bilder der Sonne auswertete. „Wir haben an der Oberfläche die Wirkung der tiefliegenden Strömungen gemessen und können mit unseren Ergebnissen die bisher nur als mathematische Modellrechnung vorhandene Rollen-Theorie bestätigen“, so der Astrophysiker. Die Forschungsergebnisse hat er mit Burkart Bovelet in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht.

Hot Spots auf dem heißen Stern

Sonnenflecke sind dunkle Gebiete, in denen die Temperatur rund 2.000 Grad niedriger ist als in der Fleckenumgebung. Ursache für diese starke Abkühlung sind magnetische Kräfte, die einen Teil des Wärmetransports aus dem Sonneninnern an die Oberfläche behindern. „Modellrechnungen zeigen, dass diese Wärme von den magnetischen Kraftlinien des Sonnenflecks zu einer Rollenbewegung umgeformt werden sollte“, erklärt Wiehr die Vorgänge unter der Oberfläche.

Durch diesen Rolleneffekt werden die außerhalb des Sonnenflecks liegenden kleinen magnetischen Gebiete radial, also strahlenförmig nach außen gedrängt. „Diese Gebiete sind im blauen Licht des Kohlenwasserstoff-Moleküls auffallend hell, so dass sie auf den Digitalbildern von der Sonnenoberfläche gut zu sehen sind“, so der Astrophysiker.

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Der Göttinger Wissenschaftler wertete für seine Forschungen eine Bilderserie aus, die einen Zeitraum von einer Stunde umfasst. Peter Sütterlin, Astrophysiker an der niederländischen Universität Utrecht und von 1996 bis 1999 an der Sternwarte der Universität Göttingen tätig, hat diese Bilder im April 2001 mit dem niederländischen Sonnenteleskop DOT am Observatorium auf La Palma aufgenommen. Das Teleskop mit einem Öffnungsdurchmesser von 45 Zentimetern kann Strukturen ab einer Größe von 180 Kilometern sichtbar machen.

Brodelndes Sonnengas erschwert Vermessung

Ein Problem bei der Vermessung der erwarteten Auswärtsbewegungen entsteht durch die ungeordneten Bewegungen an der Sonnenoberfläche, die durch den Wärmetransport aus dem Inneren der Sonne verursacht werden. „Das Sonnengas ähnelt einem brodelnden Topf mit kochendem Wasser“, erläutert Dr. Wiehr. Die chaotischen Bewegungen dieser so genannten Sonnen-Granulen überlagern die radiale Strömung rund um die Sonnenflecken. Wiehr ist es gelungen, mit einem von Burkart Bovelet speziell geschriebenen Computerprogramm die Einflüsse durch die Granulen-Bewegungen auszusortieren, so dass die sich mit einer Geschwindigkeit von 300 Metern pro Sekunde nach außen bewegenden kleinen Magnetbündel übrig blieben.

Langsamer als erwartet

Bislang hatten Forscher ein größeres Tempo angenommen, weil die überlagernden chaotischen Bewegungen in die Berechnungen mit einflossen. Bei der Auswertung der Bilderserie erkannte der Göttinger Astrophysiker außerdem, dass die Rollenwirkung abnimmt, je weiter sich ein Magnetgebiet vom Sonnenfleck entfernt. Der Einflussbereich der tiefliegenden Strömungsrollen, der wegen seiner Ähnlichkeit mit einem Burggraben „sunspot moat“ genannt wird, hat einen Radius von 10.000 Kilometern. Weiter außerhalb findet man nur noch ungeordnete Bewegungen durch die Granulen.

Der Wissenschaftler erforscht auch weiterhin die kleinräumigen magnetischen Gebiete an der Sonnenoberfläche. Bislang unbekannte Details lieferten dem Astrophysiker Bilder, die er zusammen mit Johann Hirzberger, ehemaliger Mitarbeiter der Göttinger Universitäts-Sternwarte und heute an der Universität Graz tätig, im Juli 2003 mit dem Sonnenteleskop SST der Universität Stockholm am Observatorium auf La Palma aufnahm.

Das zweitgrößte Sonnenteleskop der Welt, dessen Linse eine Öffnung von einem Meter Durchmesser hat, kann Strukturen ab einer Größe von 100 Kilometern sichtbar machen. Die Auswertung der Bilder zeigt, dass der häufigste Durchmesser dieser kleinen magnetischen Gebiete 160 Kilometer beträgt. Die besondere Trennschärfe des Teleskops erlaubte es dem Göttinger Astrophysiker auch, ihre Größe – sie liegt bei maximal 300 Kilometern Durchmesser – zu bestimmen.

(Georg-August-Universität Göttingen, 11.02.2004 – NPO)

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