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Biologie

Symbiose spart Gene

Extrem genarme Bakterien im Ameisendarm entdeckt

Rossameise (Camponotus sp.) © CSIRO

Im Darm von Ameisen wohnen Lebewesen, deren Erbgut extrem klein ist: Es handelt sich um Bakterien mit nur 581 proteinkodierenden Genen, wie Forscher vom Biozentrum der Uni Würzburg mit spanischen Kollegen herausgefunden haben. Zum Vergleich: Frei lebende Bakterien haben 2.000 bis 6.000 Gene, die Taufliege 14.000. Der Mensch benötigt nach vorläufigen Schätzungen sogar mindestens 30.000 Gene.

Dass die Bakterien mit dem winzigen Erbgut es sich im Verdauungstrakt von Rossameisen bequem gemacht haben, ist schon seit 1887 bekannt: Damals untersuchte der Zoologe Friedrich Blochmann das Zusammenleben der beiden ungleichen Partner und beschrieb damit erstmals überhaupt eine derartige Symbiose. Darunter verstehen Biologen das Phänomen, dass zwei verschiedene Arten eine sehr enge Verbindung eingehen, die beiden Vorteile bringt.

Die Arbeitsgruppen des Mikrobiologen Roy Gross und des Soziobiologen Bert Hölldobler vom Würzburger Biozentrum haben nun herausgefunden, dass die in den Ameisen lebenden Bakterien eng verwandt sind mit Escherichia coli, den meist harmlosen Darmbewohnern, die auch im Menschen vorkommen. Trotzdem ist ihr Erbgut fünf bis sechs Mal kleiner als das der Colibakterien: Offenbar konnten sie im Laufe des viele Jahrmillionen währenden Zusammenlebens mit den Ameisen viele Gene abwerfen. Damit haben sie sich allerdings in eine absolute Abhängigkeit von ihrem Wirt begeben, denn ohne ihn können sie nicht mehr wachsen.

Die Bakterien, die von den Würzburger Forschern den Gattungsnamen Blochmannia erhalten haben, leben dicht gedrängt in besonderen Zellen im Mitteldarm der Ameisen. „Besonders aufregend ist die Tatsache, dass sie auch in die Eizellen der Ameisen gelangen und dadurch ihre Verbreitung auf die künftigen Generationen sicherstellen“, so Professor Gross.

Die biologische Bedeutung dieser Bakterien war seit ihrer Entdeckung unklar geblieben. Aber das hat sich jetzt geändert: Gross und Hölldobler entschlüsselten mit Evolutionsbiologen von der Universität Valencia die genetische Information der Mikroben und machten dabei erstaunliche Befunde. So legt die Erbinformation der Bakterien nahe, dass sie einen bedeutenden Beitrag zur Ernährung der Ameisen leisten und diese wahrscheinlich mit lebensnotwendigen Aminosäuren versorgen. Umgekehrt liefern die Ameisen wichtige Stoffwechselprodukte, welche die Bakterien nicht selbst herstellen können.

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Zurzeit analysieren die Würzburger Forscher die Erbinformation der Blochmannien im Detail. Sie sind davon überzeugt, dass ihre Ergebnisse erheblich zu einer Diskussion beitragen werden, die derzeit in vielen Labors geführt wird: Es geht um die Frage, wie viele – oder vielmehr wie wenige Gene für ein Lebewesen nötig sind, damit es seine essentiellen Lebensfunktionen ausführen kann.

(Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 11.02.2004 – NPO)

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