Anzeige
Geowissen

Treibhausgase in den Untergrund

Neues Forschungsprojekt untersucht die CO2-Speicherung untertage

Die steigenden Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre gilt als einer der Hauptverursacher des Klimawandels. Doch wie kann dieser Anstieg gebremst werden? In einem dreijährigen Verbundprojekt wollen Aachener Wissenschaftler nun eingehend analysieren, wie verlässlich das CO2 in unterirdischen geologischen Formationen sowie stillgelegten Kohlegruben gebunden und damit „aus dem Weg geschafft“ werden kann.

{1l}

Wie das CO2 ebenso wirtschaftlich vertretbar wie technisch machbar gebunden werden kann, beschäftigt in den nächsten Monaten intensiv die Wissenschaftler an der RWTH Aachen in Kooperation mit der TU Stuttgart und der Universität Bayreuth. „Unsere Arbeit konzentriert sich auf drei Bereiche“, berichtet Privatdozent Michael Kühn, der das Projekt koordiniert.

Das erste Tätigkeitsfeld sehen die Geowissenschaftler in der Untersuchung der Umwandlung der mineralischen Bindung von Kohlendioxid in Calcit. Gezielte Laborexperimente, durchgeführt vor allem am Lehr- und Forschungsgebiet für Ton- und Grenzflächenmineralogie von Univ.-Prof. Dr. Helge Stanjek, in Kombination mit numerischen Computersimulationen sollen klären: Wie viel gelöstes CO2 kann untertage verpresst und in Calcit umgewandelt werden? Wie viel davon können ausgewählte Gesteinsformationen aufnehmen?

Kombination mit Geothermie

Die innovative Idee besteht hierbei insbesondere in der ökonomisch vielversprechenden Kombination der CO2-Speicherung mit geothermischer Energiegewinnung. Dazu Dr. Kühn: „Bei geothermischen Tiefbohrungen ab 1500 Meter Teufe wird ein Wasserkreislauf eingerichtet, der die Wärme des Untergrunds über obertägige Wärmetauscher etwa für die Heizung von Gebäuden verfügbar macht. Wenn das erkaltete Wasser wieder in die Tiefe gepumpt wird, kann es mit CO2 angereichert werden.“

Anzeige

Da Kohlendioxid in Verbindung mit Wasser sauer reagiert, werden im unterirdischen Reservoir Verwitterungsreaktionen ablaufen, welche die Säure zumindest teilweise neutralisieren. Zusammen mit Calciumionen kristallisiert dann das Kohlendioxid dort unten dauerhaft zu Calcit. Vergleichbare Kalkablagerungen, wenngleich in kleinem Maßstab und durch andere Prozesse hervorgerufen, erfolgen zum Beispiel in der Kaffeemaschine.

Die Studien werden begleitet von umfangreichen Erhebungen verfügbarer Industriedaten, mit deren Hilfe geeignete Zielstandorte ermittelt werden.

Kohlengruben im Visier

Im zweiten Projektbereich beschäftigen sich Professor Ralf Littke und seine Mitarbeiter vom Lehrstuhl für Geologie, Geochemie und Lagerstätten des Erdöls und der Kohle sowie Professor Rafig Azzam mit seinem Team vom Lehrstuhl für Ingenieurgeologie und Hydrogeologie mit der CO2-Speicherung in stillgelegten Kohlegruben. „Auf Grund seiner großen inneren Oberfläche kann Kohle sehr viel CO2 binden“, schildert Kühn.

Einerseits prüfen die Wissenschaftler deshalb mit gezielten Laborexperimenten, wie viel Kohlendioxid auf Kohlestäuben oder -schlämmen aus der Kohleaufbereitung gebunden werden kann. Die derart angereicherte Masse könnte dann in stillgelegten Stollen deponiert werden. Andererseits gehen die Wissenschaftler der Frage nach, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen das CO2 direkt untertage in verbliebener Restkohle im Gebirge zu binden ist. „Da dieser physikalische Prozess durch äußere Einflüsse auch umkehrbar ist, müssen wir dabei auch untersuchen, wie die stillgelegten Gruben auf einlaufendes Wasser reagieren und in welchen Mengen das CO2 wieder rückgelöst wird“, so Kühn.

Langfristige Risiken geprüft

Da die Verbringung des CO2 untertage auf mehrere tausend Jahre angelegt ist, konzentriert sich der dritte Arbeitsbereich auf die langfristige Reaktion der aufnehmenden Speicher. Inwiefern wird das Deckgebirge vom CO2 korrosiv angegriffen?, lautet die Frage, die man unter anderem durch numerische Simulation zu beantworten sucht. „Wir sind da sehr zuversichtlich“, meint Kühn, „da die heute aufgefundenen Erdgaslagerstätten über Jahrmillionen dicht geblieben sind.“ Bei der Untersuchung des Langzeiteffekts und der Dichtigkeit bringen die fünf Industriepartner ihr wichtiges Knowhow ein. RWE Dea AG, RWE Power AG, SaarEnergie GmbH, Deutsche Steinkohle AG und Deutsche Montan Technologie GmbH liefern dazu wertvolle Informationen, Daten und Probenmaterial.

„Wenn die Ergebnisse nach einem Jahr vielversprechend sind und das Projekt erfolgreich weiterläuft, denken wir im Anschluss an die drei Jahre Forschung an einen konkreten Pilotversuch in industrieller Größenordnung an zwei exemplarischen Standorten“, wünscht sich Michael Kühn eine Phase II des Projektes. In dieser Phase wird die Projektführung auf die Industriepartner bei weiter andauernder Unterstützung durch die beteiligten universitären Gruppen übergehen.

Dieser kooperative und fachübergreifende Ansatz erlaubt es, mit wissenschaftlicher Expertise innovative Geotechnologien zu entwickeln, die unmittelbar in die unternehmerische Praxis einfließen. Das potenzielle Reservoir für die Speicherung von CO2 unter deutschen Landschaften ist riesig: Von den Kohlezechen und geothermischen Reservoiren könnten schätzungsweise 36 Gigaton-nen Kohlendioxid aufgenommen werden – dies entspricht dem 40fachen des deutschen CO2- Ausstoßes des Jahres 1999.

(RWTH Aachen, 07.06.2005 – NPO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

Dossiers zum Thema

Klimawandel - Bringt der Mensch das irdische Klima aus dem Gleichgewicht?

News des Tages

Feldhase

Genom des "Osterhasen" entschlüsselt

Erstes Bild der Magnetfelder ums Schwarze Loch

Ägypten: Wandbilder aus der Totenstadt

Wie das Klima den antarktischen Zirkumpolarstrom beeinflusst

Bücher zum Thema

keine Buchtipps verknüpft

Top-Clicks der Woche