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Technik

Toilette mit „Hirn“

Friendly Rest Room passt sich an die Bedürfnisse der Benutzer an

"Intelligent" Toilette © Technische Universität Wien

Eine Toilette zu benützen ist für viele körperlich beeinträchtigte Menschen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Die Abhängigkeit von anderen Menschen schränkt die Selbstständigkeit ein und beeinträchtigt die Lebensqualität. Wissenschaftler der Technischen Universität Wien haben zusammen mit einem EU-Konsortium nun eine neuartige Toilette mit „Hirn“ entwickelt, die auch bereits erfolgreich in der Praxis getestet worden ist.

Der so genannte Friendly Rest Room (FRR) passt sich automatisch an die individuellen Bedürfnisse der Benutzer an und bringt so ein Mehr an Selbstständigkeit, Selbstwertgefühl und Würde in das Leben der Körperbehinderten.

Computerchip stellt „Toilettenposition“ für Benutzer ein

Soll eine Toilette wirklich „intelligent“ sein, dann reicht ihre Flexibilität nicht nur von der Höhenverstellbarkeit der WC-Muschel bis hin zur Unterstützung beim „Transfer“ vom Rollstuhl auf den WC-Sitz. Bei einer „Toilette mit Hirn“ passt sich jede ihrer einzelnen Komponenten an die unterschiedlichsten Bedürfnisse körperlich beeinträchtiger Menschen an. Große Erleichterung können „intelligente“ Toiletten bei jedem Grad der Behinderung bringen, bei einem verstauchten Fuß ebenso wie bei einer vollständigen Lähmung.

Paul Panek von der TU Wien skizziert die vom EU-Konsortium entwickelte Vision des Friendly Rest Rooms folgendermaßen: „Ziel ist es, dass halböffentliche Räume wie Krankenhäuser, Behörden, Museen, Flughäfen etc. mit intelligenten Toiletten ausgestattet werden. Über die EU-weit in diesem Projekt bereits angedachte Vernetzung und Speicherung der Benutzereinstellungen der Toilette, kann sich ein körperlich beeinträchtigter Mensch in jeder Behörde, in jedem Museum etc. durch das Öffnen der Toilettenanlage selbstständig und ohne Unterstützung bewegen.“ Das bedeutet ein Mehr an Lebensraum für Menschen mit körperlichen Einschränkungen und steigert deren Lebensqualität.

„Man muss sich das so vorstellen: Sie öffnen mit einer Smartcard berührungslos die Türe und schon beim Betreten der Toilette stellt sich diese automatisch auf die für ihre Person als optimal erachtete Höhe ein, schwenken – falls benötigt – Griffe und Haltestangen hervor, unterstützen Toilettensitz und flexibel steuerbare Haltestangen gebrechliche ältere Personen sowohl beim Niedersetzen als auch beim Aufstehen, beim Transfer vom Rollstuhl auf die Toilette und zurück.

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Nach dem Verlassen der Toilette sorgt ein vollautomatisches Reinigungssystem für optimale Hygiene, und die vielen nützlichen Hilfssysteme der intelligenten Toilette fahren wieder in einen unauffälligen Ruhezustand, in dem sie wie eine ’normale‘ Toilette aussieht“, erklärt Paul Panek von fortec.

Labortests auf EU-Ebene bereits durchgeführt

Wenngleich diese Vision noch nicht vollständig umgesetzt ist, wurden schon sehr umfangreiche Labortests vieler neuartiger Toiletten- Komponenten – unter anderem Sprachsteuerung, Sprachausgabe, Smart Cards Technologie – vom EU-Konsortium in mehreren europäischen Ländern durchgeführt.

Dabei wurde besonderer Wert auf die intensive und ethisch korrekte Einbindung älterer Menschen und Personen mit einer Behinderung in die Labortests gelegt. Schließlich ging es nicht darum, ein zu Viel an moderner Technologie in eine Toilette zu packen, sondern darum, die neuartige Toilette für die Anwender möglichst praktikabel und benutzerfreundlich zu machen.

In Serie wird die „Toilette mit Hirn“ noch bis Jahresende 2005 gehen.

Praxistest für pflegebedürftige Menschen im Tageszentrum: Note „sehr gut“

35 Besucher und Pflegeexperten prüften und testen einen der zahlreichen vom EU-Konsortium entwickelten Toiletten-Prototypen im Multiple Sklerose (MS) Tageszentrum der Caritas Socialis in Wien auf Herz und Nieren. Zum Praxistest Ramona Rosenthal, Leiterin des MS Tageszentrum: „Menschen, die bis jetzt ganz auf die Unterstützung Anderer beim Toilettengang angewiesen waren, entdecken mit diesem Prototypen eine erhöhte Selbstständigkeit. Die intelligente Toilette setzt an den Ressourcen der Benutzer an und ermöglicht, die Selbständigkeit trotz einer fortschreitenden Erkrankung wie MS länger aufrecht zu erhalten.“ Die Toilette erhielt im Praxistest die Note „sehr gut“.

Durch das Höher-Fahren und Nach-Vorne-Neigen der Toilette wird das Aufstehen für viele Personen wesentlich einfacher. Während des Sitzens dagegen erlaubt die individuell durchführbare Höhenverstellbarkeit einen besseren Bodenkontakt der Füße. Dadurch kann der Körper stabiler gehalten werden, was wiederum die potenzielle Sturzgefahr beim Aufstehen von der Toilette wesentlich verringert. Das Auslösen des Schwesternrufes und der Wasserspülung ist mittels Handsteuerung der Toilette möglich. Dies vergrößert die Autonomie und Selbständigkeit der Anwender signifikant.

Robert Schlathau, Patientenvertreter im Vorstand der österreichischen MS-Gesellschaft betont die „Win-Win“ Situation, die sich durch die Verwendung der „intelligenten“ Toilette ergibt: „Derartige intelligente Systeme erhalten nicht nur die Selbstständigkeit der von Multiple Sklerose Betroffenen länger aufrecht, sondern bedeuten auch für die Betreuer eine wesentliche Entlastung.“ Schlathau erwartet von der „intelligenten Toilette“ auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen und fordert eine verbindliche und rasche Umsetzung der Forschungsergebnisse auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene.

(idw – Technische Universität Wien, 23.05.2005 – DLO)

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