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Neurobiologie

Fliegen helfen bei seltener Erbkrankheit

Untersuchungen an Drosophila sollen neue Therapie für "Coffin-Lowry-Syndrom" liefern

Einem wichtigen Molekül für das Gedächtnis sind Forscher von der Universität Würzburg auf der Spur. In Experimenten mit Fliegen haben sie herausgefunden, dass das Gen „Rsk2“ an verschiedenen Lernvorgängen beteiligt ist und unter anderem die „klassische Konditionierung“ mit zu steuern scheint. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, eine neue Therapie für eine seltene Erbkrankheit beim Menschen zu entwickeln.

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Es ist eine jener Gebrechen, die fast niemand kennt und die dennoch für den Einzelnen so schwer wiegen wie Alzheimer oder Parkinson. Kinder mit dem „Coffin-Lowry-Syndrom“ sind geistig behindert und haben Gedächtnisstörungen. Ihre Knochen wachsen nur langsam, was zu verschiedenen Folgen führt: etwa Minderwuchs und Missbildungen in Gesicht, Brustkorb und Wirbelsäule.

Eines von 50.000 neugeborenen Kindern leidet darunter, Jungs stärker als Mädchen. An Fliegen und Mäusen untersucht Dr. Matthias Fischer von der Universität Würzburg die Ursachen der Symptome des Coffin-Lowry-Syndroms.

Dass sich der Mediziner und Biologe bei seinen Forschungen zunächst auf die Taufliege Drosophila konzentriert und auf Erkenntnisse auch für den Menschen hofft, klingt nur auf den ersten Blick verwegen. Denn „auch das Insekt trägt in seinem Erbgut das Gen, das bei Coffin-Lowry-Patienten defekt ist und die Krankheit auslöst“, erklärt der Preisträger. So lässt sich am Modell Drosophila untersuchen, wie dieses Gen – abgekürzt „Rsk2“ genannt – zu den Gedächtnisausfällen führt und wie es im gesunden Organismus zu Lernen und Erinnerung beiträgt.

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Gen unterstützt Bildung und Plastizität von Nervenverbindungen

Bislang haben die Würzburger Forscher entdeckt, dass Rsk2 an verschiedenen Lernvorgängen beteiligt ist. In einer so genannten Hitzekammer ändert sich beispielsweise die Temperatur, wenn eine Fliege verschiedene Enden ansteuert. Lässt sie sich links nieder, wird es unerträglich heiß. Der Aufenthalt rechts kühlt die Kammer auf eine angenehme Temperatur ab.

„Schnell koppelt das Tier sein Verhalten an die Temperatur“, sagt Fischer „und lernt die richtige Entscheidung bei der Platzwahl.“ Nicht so Insekten, bei denen die Wissenschaftler das Rsk2-Gen ausgeschaltet hatten. Sie erinnern sich nicht mehr und laufen auf die falsche Seite der Kammer.

Auch eine andere Lern-Form, die „klassische Konditionierung“ scheint Rsk2 mit zu steuern. Dabei hat das Verhalten des Tiers keinen Einfluss etwa auf das Erhitzen der Kammer, das ausschließlich die Forscher kontrollieren.

Fischer vermutet, dass das RSK2-Gen zur Bildung und Plastizität von Nervenverbindungen beiträgt. Unentwegt baut das Gehirn bei Lernprozessen Nervenschaltungen auf, um oder ab. Neben den Fliegen-Versuchen will der Stipendiat jetzt auch Experimente mit Mäusen starten, um herauszubekommen, wo im Gehirn und wie das Gen Erinnerung erzeugt. Fernziel: den Kindern mit dem Coffin-Lowry-Syndrom zu helfen.

Die Novartis-Stiftung für therapeutische Forschung in Nürnberg hat Fischer für seine Forschungsarbeiten jetzt mit einem Graduierten-Stipendium ausgezeichnet.

(idw – Novartis Stiftung für therapeutische Forschung, 23.05.2005 – DLO)

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