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Biologie

Plankton schwimmt gegen den Strom

Meeresforscher weisen mit Ultraschall aktive Bewegung nach

Dekapodenlarve aus dem Plankton © ZMT

Plankton, die winzigen, im Wasser schwebenden Organismen des Meeres, lassen sich keineswegs nur passiv treiben, wie noch bis vor kurzen angenommen. Im Gegenteil: Sie können mit bis zu 50 Körperlängen pro Sekunde gegen den Wasserstrom anschwimmen. Das haben jetzt Wissenschaftler mithilfe eines neuen Ultraschallverfahrens nachgewiesen.

Grenzflächen bestimmen das Leben an Land wie auch im Meer. Wo im Meer unterschiedliche Wassermassen aufeinander stoßen, finden Austauschvorgänge statt, die für die Meeresorganismen von entscheidender Bedeutung sind. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Vertikalbewegungen des Wassers. Durch Auftriebsereignisse gelangen zum Beispiel Nährstoffe aus den Tiefen des Meeres ans Sonnenlicht und ermöglichen als Dünger das Wachstum von Algen im Oberflächenwasser. Sie ernähren das Zooplankton, das als Fisch- und Walnahrung ein wichtiges Glied in der marinen Nahrungskette ist.

Wie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science berichtet wird, ist es einem deutsch-israelisch-amerikanischen Team von Meeresforschern unter der Leitung von Amatzia Genin von der Hebräischen Universität Jerusalem jetzt erstmalig gelungen, die Schwimmbewegungen von frei driftenden Planktontieren im Meer zu beobachten.

Gegen den Strom

Anders als der griechische Name „planktos“ (mit der Strömung treibend) suggeriert, zeigen die neuen Ergebnisse, dass die oft weniger als stecknadelkopfgroßen Tiere äußerst empfindlich auf Tiefenänderungen reagieren, die sich aus dem Auf und Ab im Meer ergeben. In der Waagerechten werden sie passiv wie auf einem Förderband verdriftet. Wenn sie aber in den Sog absinkender Wassermassen geraten, werden die Tiere aktiv und schwimmen gegen den Strom – mit bis zu 50 Körperlängen pro Sekunde. Strömungs- und Schwimmgeschwindigkeit halten sich dabei die Waage mit dem Ergebnis, dass das Zooplankton sozusagen auf der Stelle tritt.

„Das Ganze erinnert ans Aufsteigen gegen eine abwärts laufende Rolltreppe“, bemerkt Claudio Richter vom Bremer Zentrum für Marine Tropenökologie, einer der Mitautoren der Untersuchung. „Wenn aber Menschen eine absteigende Rolltreppe betreten, auf der ihnen andere entgegenkommen, ist der Stau vorprogrammiert.“ So bilden sich auch an Fronten absinkender Wassermassen große Plankton-Ansammlungen, ein Phänomen mit weitreichenden Folgen.

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Das Gewühl von Zooplankton in solchen Zonen ist nämlich ein gefundenes Fressen für marine Räuber aller Art. Hier finden sie ein Vielfaches der Nahrung, die sie sich sonst mühevoll zusammensuchen müssten. Für viele Schwarmfische, die die Grundlage unserer Fischerei bilden, für Spezialisten wie Manta-Rochen und Wale sowie für ganze Ökosysteme wie Korallenriffe wäre eine Existenz ohne solche Planktonanhäufungen gar nicht denkbar.

Ultraschall enthüllt Bewegungen

Größtes Hemmnis für die Untersuchung von kleinskaligen Zooplanktonbewegungen im Meer war bislang, dass die Tiere nur Millimeter groß und in der Regel durchsichtig sind. Obwohl optische Methoden für Zooplanktonuntersuchungen eingesetzt werden, sind sie aufgrund der geringen Tiefenschärfe für die Beobachtung der Tiere über längere Zeiträume und Entfernungen im Meer ungeeignet.

Jules Jaffe vom Scripps Institute für Meeresforschung in San Diego gelang der technologische Durchbruch mit der Entwicklung eines Sonargeräts (Fish-TV), das ähnlich wie ein medizinisches Ultraschall- Gerät eine Abbildung kleinster Objekte im dreidimensionalen Raum ermöglicht. Im Schallkegel des Sonars konnten die extrem schwachen Echos der Planktontiere erfasst und während ihrer meterlangen Drift verfolgt werden. Die Untersuchungen liefen im Roten Meer, wo das klare Wasser ideale Voraussetzungen für die empfindlichen Messungen bot. Unter großem logistischen und finanziellen Aufwand wurden über 375.000 Echo-Spuren des Zooplanktons ausgewertet und mit gleichzeitigen Messungen der Wasserströmung und Planktonverteilung verglichen.

Die Bedeutung der Untersuchung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms „Rotes Meer“ finanziert wurde, wird von Fachkollegen als Meilenstein gewertet. Vor 70 Jahren machte bereits der britischen Forscher Sir Alister Hardy im Labor die Beobachtung, dass Zooplankton den Strömungen nicht so ausgeliefert ist, wie der Name vorgibt. Jetzt erst konnte dieses Schwimmverhalten im Meer bestätigt werden.

(Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT), 10.05.2005 – NPO)

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