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Geowissen

Mega-Tsunami schonte Natur

Geomorphologische und sedimentologische Untersuchungen an der Küste Thailands

Der verheerende Sumatra-Andaman-Tsunami vom zweiten Weihnachtstag 2004 hat erstaunlich geringe bleibende Spuren in der Natur hinterlassen. Schon in 100 bis 200 Jahren wird man in der Küstenlandschaft keine Überreste mehr davon finden. Dies haben Wissenschaftler bei geomorphologischen und sedimentologischen Untersuchungen an der Küste Thailands ermittelt.

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Seit dem Jahr 2000 beschäftigt man sich am Institut für Geographie der Universität Duisburg-Essen mit der Erforschung von Paläo-Tsunami, das heißt solchen vergangener, oft prähistorischer Zeiten. Dabei wurden auffällige Ablagerungen und Formen im Küstenbereich des westlichen und östlichen Mittelmeeres, von Portugal, zahlreichen Antilleninseln und den Bahamas, deren Entstehung nicht durch Stürme erklärt werden kann, kartiert und mit Hilfe von Proben näher untersucht. Mittlerweile sind in 16 verschiedenen Regionen starke Tsunami der letzten Jahrtausende auf diese Weise neu entdeckt und absolut datiert worden, so für Mallorca für Zeiträume vor fast 500 Jahren und ca. 1400 Jahren oder für Zypern vor circa 250 bis 300 Jahren.

Im Februar hat der Essener Küstenforscher Professor Dieter Kelletat zusammen mit dem Hydrobiologen Sander Scheffers an der Westküste Thailands die geomorphologischen und sedimentologischen Spuren des Mega-Tsunamis vom zweiten Weihnachtstag 2004 untersucht.

Charakteristika von Tsunamisedimenten erforscht

Der Mega-Tsunami im Indischen Ozean bot den Essener Wissenschaftlern die Gelegenheit nachzusehen, ob in den bisher gefundenen alten Ablagerungen alle Charakteristika von Tsunamisedimenten noch erhalten sind, oder ob einige – und wenn ja, welche – durch Verwitterung, Abtragung, Überprägung etc. verschwunden oder jedenfalls nicht mehr als Tsunamispuren erkennbar sind.

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Gleichzeitig studierten sie am aktuellen Beispiel die Beziehung von bleibenden Spuren zur Strömungsgeschwindigkeit, Transportkraft, Wellenhöhe und anderen Parametern. Die Ergebnisse waren durchaus überraschend: Die extreme Ausbreitung und die hohe Opferzahl des Tsunami im Indischen Ozean ließ auf eine außerordentliche Formungs- und Transportenergie schließen. Das Gegenteil ist der Fall, jedenfalls im Vergleich zu nahezu allen bearbeiteten Paläo-Tsunami.

Grobmaterial wie Blöcke, vier bis 20 Tonnen schwer, sind nur in wenigen Ausnahmefällen und bis zur Hochwasserlinie bewegt worden, während sie zum Beispiel auf Mallorca zehn Meter, auf Zypern über zwölf Meter und auf den Bahamas bis zu 17 Metern hoch liegen und über 200 Tonnen wiegen können. Feinmaterial, vor allem Sande, liegen verbreitet bis zu 100 Meter landein im dünnen Schleier von wenigen Dezimetern, und der wird durch die kommenden Monsunregen weitgehend abgetragen.

Die Sande sind jedoch – im Gegensatz zur bisher veröffentlichten Ansicht – nicht chaotisch auf frisch abradierter Unterlage, sondern fein geschichtet auf unzerstörten Böden und Pflanzenresten zu finden, die Ablagerungen werden also später durch kein Charakteristikum von anderen Strömungssedimenten etwa aus Sturmfluten zu unterscheiden sein.

Bäume zeigen Wellenhöhe

Die häufigsten Marken für die Wellenhöhe fanden Kelletat und Scheffers an lebenden Bäumen mit Ast- und Rindenschäden sowie an Gebäuden. Beide bleiben im „geological record“, also über längere Zeit, nicht erhalten, so dass die Forscher allein auf die Interpretation der Sande und verlagerten Blöcke angewiesen sind. Von diesen aber können nur die wenigen Großblöcke eindeutig auf Tsunamivorgänge zurückgeführt werden.

Aber sie ergeben im Falle von West-Thailand – einschließlich Phuket, Khao Lak und den Similan- und Phi Phi-Inseln – ein völlig falsches Bild von der wirklichen Wellenhöhe. Relativ geringe Wassertiefe von unter 100 Metern bis weit vor der Küste und eventuell ein etwas längerer Bewegungsimpuls der Wassermassen entlang der langen Störungszone im Meer könnten Ursache für diese geringen Spuren sein, und in 100 bis 200 Jahren wird man in der Küstenlandschaft selbst nichts mehr davon finden.

Vielleicht sei dies, vermutet Kelletat, auch die Ursache dafür, dass dieser Bereich des Indischen Ozeans bisher für tsunamifrei gehalten worden sei, – eben weil die dortigen Tsunami trotz großer Wellenhöhe und Ausbreitung kaum geomorphologische oder sedimentologische Spuren hinterlassen hätten. Das scheine auch für Sri Lanka, Indien oder die afrikanische Ostküste zu gelten, von denen ebenfalls keine sonst für Tsunami typische Verlagerung großer Blöcke berichtet worden seien.

Geringe Schäden an Korallen

Nach den Beobachtungen der Essener Wissenschaftler sind auch die Schäden an Korallen und Korallenriffen wegen der begrenzten Strömungsgeschwindigkeiten mäßig und nur lokal schwerwiegend, und noch am ehesten werden die Sand- und Schlammteilchen auf den Korallen zu ihrem Absterben beitragen. Ob die Verhältnisse im am schwersten betroffenen Gebiet Nordwest-Sumatras mit einer Wellenhöhe von lokal über 30 Metern grundsätzlich anders liegen, könne, sagt Kelletat, „nicht beurteilt werden, weil von dort keine entsprechenden Beobachtungen vorliegen“.

Über seine Beobachtungen an der Westküste von Thailand berichtet Kelletat ausführlich in der jüngsten Ausgabe des an der Universität Duisburg-Essen erscheinenden Magazins „CAMPUS-REPORT“.

(idw – Universität Duisburg-Essen, 28.04.2005 – DLO)

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