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Neurobiologie

Nachbarschaftshilfe im Gehirn

Funktion von Cholesterin in Membranen der Nervenfasern aufgeklärt

Querschnitte des Rückenmarks von Mäusen, bei denen Myelin braun angefärbt wurde. In jungen mutanten Mäusen (rechts oben) ist sehr wenig Myelin nachzuweisen, während ältere Mutanten (rechts unten) erhebliche Mengen an Myelin gebildet haben. Links, zum Vergleich, jeweils Kontroll-Geschwistertiere mit normalen Myelin-Mengen in der weißen Substanz. © MPI für experimentelle Medizin/Saher

Myelin umhüllt als dicht gepackter Membranstapel Nervenfasern und bewirkt so deren elektrische Isolation. Welche Funktion übt nun Cholesterin in den Myelinmembranen aus? Dieser Frage sind jetzt Forscher vom Göttinger Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin nachgegangen. An gentechnisch veränderten Mäusen konnten die Neurogenetiker beweisen, dass der Einbau von Cholesterin für die Bildung von Myelin unentbehrlich ist. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Nature Neuroscience berichten, führt das fast vollständige Fehlen von Myelin in den genmanipulierten Versuchstieren zu ständigem Zittern und Koordinationsstörungen und bei einem Drittel der Mutanten sogar zum Tod.

Zu wissen, wie Cholesterin in den verschiedenen Organen des Körpers wirkt und wie seine Selbstregulation im Organismus, die so genannte Homöostase, bewerkstelligt wird, ist wichtig bei der Suche nach Risikofaktoren für die Entstehung von Krankheiten, wie zum Beispiel Arteriosklerose. Ein gestörter Cholesterinstoffwechsel wird auch in Verbindung mit Schlaganfall und Morbus Alzheimer gebracht. Defekte führen ebenfalls zu schwerwiegenden Krankheiten wie Smith-Lemli-Opitz-Syndrom oder Niemann-Pick-Syndrom.

Cholesterin wird in allen Organen gebildet und ist im gesamten Körper zu finden. Ein Drittel des Cholesterins wird über die Nahrung aufgenommen, zwei Drittel hingegen stellt der Körper selbst her. In Säugetieren enthält jede Membran eine spezifische Menge an Cholesterin. Diese beeinflusst ihre physikalischen und biologischen Eigenschaften. Normalerweise sind daher die Bildung und Verteilung von Cholesterin strikt reguliert.

Das Gehirn hat hierbei eine Sonderstellung: Es synthetisiert sein gesamtes Cholesterin eigenständig und ist somit vollkommen unabhängig vom Cholesterinstoffwechsel des übrigen Körpers, also auch von der Nahrung. Überdies ist das Gehirn das cholesterinreichste Organ des menschlichen Körpers. Im Gehirn ist Cholesterin in den Nervenhüllen der weißen Substanz, die auch als Myelin bezeichnet werden, besonders stark angereichert.

Myelin sorgt für höhere Denkleistungen

Myelin wird im zentralen Nervensystem von einem speziellen Zelltyp hergestellt, den so genannten Oligodendrozyten. Es entsteht vorwiegend während der ersten Lebenswochen. Myelin umhüllt als dicht gepackter Membranstapel Nervenfasern und bedingt so deren elektrische Isolation. Dies ermöglicht unter anderem eine effiziente Kontrolle der Körperhaltung, genauso wie es höhere Denkleistungen gewährleistet.

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An gentechnisch veränderten Mäusen konnten die Göttinger Max-Planck-Neurogenetiker nun beweisen, dass der Einbau von Cholesterin für die Bildung der Myelinmembranen unentbehrlich ist. Das fast vollständige Fehlen von Myelin in den mutanten Versuchstieren führt zu ständigem Zittern und Koordinationsstörungen und bei einem Drittel der Mutanten sogar zum Tod.

Unbekannter Mechanismus entdeckt

Bei ihrer Studie entdeckten die Forscher einen bis jetzt unbekannten Mechanismus in den Oligodendrozyten der mutanten Mäuse: Die mutanten Oligodendrozyten, deren Cholesterinsynthese genetisch unterbunden wurde, mussten „von außen“ Cholesterin aufnehmen, anstatt wie üblicherweise ihren großen Bedarf an Cholesterin durch Eigenproduktion zu decken.

Dieser Service der Cholesterinbeschaffung wird von anderen Zellen des Gehirns geleistet, die nicht genetisch verändert wurden. Die Versorgung der Oligodendrozyten mit Cholesterin ist dabei sogar so immens, dass sich die Myelinausstattung der Mutanten mit fortschreitendem Alter weitgehend normalisierte. Durch gehirninterne Umverteilung der Cholesterinproduktion konnten die Versuchstiere ihren schweren genetischen Defekt mit der Zeit überwinden.

Mit ihren Mausmutanten können die Max-Planck-Wissenschaftler nun systematisch die biologische Funktion von Cholesterin im lebenden Organismus erforschen.

(idw – MPG, 14.04.2005 – DLO)

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