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Biologie

Mitochondrien steuern „DNA-Übersetzung“

Kraftwerke der Zelle an der Ribosomenbildung beteiligt

Eisen-Schwefel-Zentrum © Roland Lill

Marburger Forscher haben herausgefunden, warum Mitochondrien „essentiell“ für das Überleben von Zellen sind. Die Kraftwerke der Zelle erzeugen nicht nur Energie, sie sind auch an der Bildung des Protein Rli1 beteiligt, das eine entscheidende Rolle bei der Übersetzung von Erbinformationen in lebenswichtige Eiweiße spielt.

Bereits vor fünf Jahren hatten Lill und Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit der ungarischen Gruppe um Professor Gyula Kispal herausgefunden, dass Mitochondrien für die lebenswichtige Bildung von so genannten Eisen-Schwefel-Zentren verantwortlich sind, die – in Proteine eingebaut – zum Beispiel Elektronen übertragen können. Ein wichtiges Beispiel für die Funktion von Eisen-Schwefel-Proteinen ist die zelluläre Veratmung des Sauerstoffs zu Wasser.

Anders als die Forscher bis dahin vermutet hatten, erfolgt die Synthese der Eisen-Schwefel-Proteine nicht spontan, sondern in einem komplexen biochemischen Prozess. Bislang hat Lill mit seinen Mitarbeitern zwölf der bisher zwanzig bekannten, meist mitochondrialen Proteine entdeckt, die für diesen Vorgang wichtig sind. Wird die Bildung der Eisen-Schwefel Proteine unterbunden, so stirbt die Zelle. Diese Komponenten besitzen eine lebenswichtige Funktion. So konnte nach vielen Jahrzehnten der Mitochondrienforschung endlich die Frage geklärt werden, welcher Prozess diese Organellen zu essentiellen Bestandteilen einer Zelle macht. Allerdings war bisher offen geblieben, welches Eisen-Schwefel-Protein es nun genau ist, das den Prozess der Bildung dieser Komponenten in den Mitochondrien essentiell macht und welche Funktion es erfüllt.

Komplizierte Assemblierungsmaschinerie

Im Fachjournal der European Molecular Biology Organization (EMBO) berichten Lill und Mitarbeiter nun über die Entdeckung des Proteins Rli1 und seiner Funktion. Bei Untersuchungen am Modellorganismus Hefe fand seine Gruppe in Zusammenarbeit mit der Heidelberger Gruppe um Professor Ed Hurt heraus, dass Rli1 für die Produktion von Ribosomen zuständig ist. Diese wiederum sind für die „Übersetzung“ der genetischen Information in Proteine verantwortlich.

„Man kann sich“, so Lill, „den Prozess vereinfacht so vorstellen: So genannte Eisen-Schwefel-Zentren werden von einer komplizierten Assemblierungsmaschinerie unter Beteiligung der Mitochondrien gebildet und zur Synthese des Eisen-Schwefel-Proteins Rli1 verwendet. Rli1 hat eine Funktion bei der Bildung von Ribosomen, die wiederum Proteine herstellen. Witzigerweise ergibt dies ein Henne- und Ei-Problem.“

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„Die Bedeutung dieser Vorgänge für die Evolution ist enorm“, sagt Lill. „Sowohl die Ribosomenbiogenese als auch die Herstellung der Eisen-Schwefel-Proteine müssen bei der Entstehung des Lebens bereits sehr früh ‚erfunden‘ worden sein und sind offensichtlich über Rli1 eng miteinander verknüpft!“

Darüberhinaus müssen Mitochondrien, so der Biochemiker weiter, „spätestens jetzt in einem anderen Licht gesehen werden“. Bis heute wurden sie meist nur als Kraftwerke der Zelle betrachtet, da ihre bekannteste biochemische Funktion die zelluläre Atmung ist, das heißt die Gewinnung von Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP).

Doch auch ohne zelluläre Atmung lebt eine Zelle zumindest einige Zeit weiter, wenn sie etwa mit Glukose „gefüttert“ wird.

„Als viel grundlegender für die Bedeutung der Mitochondrien hat sich nun der in ihnen stattfindende Prozess der Synthese von Eisen-Schwefel-Proteinen herausgestellt“, erklärt Lill, „denn dieser ist Voraussetzung dafür, dass Ribosomen entstehen und so die Zelle überhaupt erst in die Lage versetzt wird, ihr genetisches Material auszulesen.“

Friedreich’s Ataxie

Auch pathologische Störungen bei der Herstellung von Eisen-Schwefel Proteinen sind bekannt. Sie äußern sich beispielsweise in einer neurodegenerativen Krankheit namens Friedreich’s Ataxie, die bei durchschnittlich einem von 50.000 Menschen auftritt und meist zum Tod durch – über eine Kardiomyopathie ausgelöstes – Herzversagen führt.

Die Seltenheit dieser Krankheit ist ein Hinweis auf die große Bedeutung der Eisen-Schwefel-Proteinsynthese in Mitochondrien, denn ein solch grundlegender Prozess muss stabil funktionieren, damit er der evolutionären Auslese gewachsen ist.

(idw – Universität Marburg, 01.04.2005 – DLO)

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