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Medizin

Innenohr schlägt Wellen

Neue Einblicke in die Funktionsweise des Innenohrs

Haarzellen des Innenohrs © Howard Hughes Medical Institute

In Deutschland leiden 15 bis 19 Prozent der Bevölkerung an einem Innenohrschaden, der Tinnitus oder Schwerhörigkeit zur Folge hat. Bisher können diese Erkrankungen weder genau diagnostiziert noch behandelt werden. Jetzt haben Wissenschaftler neue Erkenntnisse über die Funktionsweise des Innenohrs gewonnen, die die Basis für neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten liefern könnten.

Die Fähigkeit Sprache zu verstehen, stellt große Anforderungen an die Signalverarbeitung im Innenohr. Seine Empfindlichkeit bestimmt die Lautstärke, die gehört wird, die Frequenzauflösung dient der Unterscheidung von Tönenim Alltag. Bereits bei kleinen Veränderungen des sensorischen Gewebes, zum Beispiel durch Krankheit oder Lärmtrauma, werden Empfindlichkeit und Frequenzauflösung schlechter.

Diese Erkrankungen können bislang weder exakt diagnostiziert noch ursächlich behandelt werden, da das Innenohr nicht geöffnet werden kann, ohne es zu zerstören. Deshalb ist auch die Funktionsweise des Organs bis heute nicht vollständig verstanden.

Hörgeräte beheben Defekte nur begrenzt – sie können die normale akustische Wahrnehmung nie wieder herstellen. Damit den Patienten künftig besser geholfen werden kann, ist ein genaueres Verständnis der Mikroelektromechanik im Innenohr, insbesondere des so genannten cochleären Verstärkers nötig.

Professor Anthony Gummer und Marc Scherer von der Tübinger Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde können jetzt durch ihre Untersuchung des Corti`schen Organs elementare Fragen zur Funktion des Innenohrs und speziell des cochleären Verstärkers beantworten. Der cochleäre Verstärker ist ein Mechanismus: Darunter versteht man die Erzeugung von mechanischer Kraft bei akustischen Frequenzen durch spezialisierte Zellen und die Rückkopplung dieser Kraft in die Vibration des sensorischen Gewebes, die so genannte cochleäre Partition. Diese Verstärkung führt zu einer deutlichen Zunahme von Empfindlichkeit und Frequenzauflösung und ist somit die Basis für die normale Funktion des Innenohrs.

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Die beiden Forscher konnten an verschiedenen Stellen des Corti`schen Organs die elektromechanischen Eigenschaften und das Deformationsmuster bis zu Frequenzen von 50 kHz messen. 50 Kilohertz ist die oberste Frequenzgrenze der meisten Säugetierohren (Ausnahme: Fledermaus). Bis jetzt war es technisch nicht möglich, bei so hohen Frequenzen Messungen vorzunehmen.

Es zeigte sich, dass sich das Corti`sche Organ unter der Einwirkung der Kraft, die von den äußeren Haarzellen erzeugt wird, nicht wie bis jetzt angenommen als ganzes vergrößert, sondern dass sich das Gewebe wellenartig verformt.

Außerdem fanden die Forscher, dass die äußeren Haarzellen deutlich breitbandiger verstärken als man ursprünglich anhand von Untersuchungen an Einzelzellen angenommen hatte. Dadurch wurde teilweise klar, wie der cochleäre Verstärker über den gesamten Hörbereich funktioniert. Das bedeutet einen weiteren wichtigen Schritt zum vollständigen Verständnis des Innenohrs.

Die Ergebnisse von Gummer und Scherer könnten wichtige Grundlagen für die Entwicklung neuer Methoden der Diagnose und Behandlung von Erkrankungen des Innenohrs liefern.

(Universitätsklinikum Tübingen, 17.03.2005 – NPO)

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