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Hochwasser: Computer warnt per SMS

Neues Frühwarnsystem funktioniert auch bei Nebenflüssen

Hochwasserwarnung per SMS © Universität Bonn

Meteorologen der Universität Bonn entwickeln für das Einzugsgebiet der Erft ein automatisches Hochwasser-Frühwarnsystem, das auch für kleinere Flüsse neue Warnmöglichkeiten schafft. Niederschlagsdaten werden mit einem hydrologischen Modell gekoppelt und im Falle eines drohenden Hochwassers geht eine Warnung per SMS und Ffax an alle Zuständigen.

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Das Kernstück des neuen Hochwasser-Warnsystems hat schon mehr als vierzig Jahre auf seinem glänzend weißen Buckel. Doch auf seine alten Tage kommt das Radargerät, das auf dem Dach des Studentenwohnheims neben dem Meteorologischen Institut seine Runden dreht, noch zu neuen Ehren: „Früher wurde es hauptsächlich temporär für Forschungszwecke eingesetzt“, erklärt der Bonner Meteorologie-Professor Clemens Simmer; „doch seit 1998 läuft es quasi ununterbrochen.“ Damals kamen die Wetterforscher nämlich auf die Idee, die vom Radar gelieferten Niederschlagsbilder auf ihre Homepage zu setzen und alle paar Minuten zu aktualisieren. Seitdem dort jeder nachschauen kann, ob er noch trocken mit dem Fahrrad von der Arbeit nach Hause kommt, sind die Zugriffszahlen in die Höhe geschnellt.

Radar und Regenschreiber

Das Radargerät sieht im Umkreis von 100 Kilometern, wo gerade Niederschlag fällt – vom leichten Fisselregen bis zum sintflutartigen Gewitterschauer. Diese Daten nutzen die Bonner seit November letzten Jahres – zunächst noch im Probebetrieb – zur Hochwasser-Warnung für die Agger im Bergischen Land. Später sollen auch Sieg und Erft hinzukommen. Wenn eine bestimmte Regenmenge überschritten wird, warnt der Computer per SMS, Fax und Mail automatisch die Verantwortlichen des Staatlichen Umweltamts und des Aggerverbands.

Das ist nicht so trivial, wie es sich anhört: „Die Radarbilder erlauben lediglich, die Niederschlagsmenge in etwa abzuschätzen“, erklärt Dirk Meetschen, der das Projekt in seiner Doktorarbeit vorantreibt. „Wir eichen das System daher mit den Regenmengen, die tatsächlich auf dem Boden auftreffen.“ Dazu greifen die Meteorologen auf aktuelle Regenschreiberdaten zurück, die sie demnächst online beziehen. Weil diese aber im Gegensatz zum Radar keine flächendeckende Niederschlagsmessung erlauben, ergänzen sich beide Systeme perfekt.

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Koppluing mit hydrologischem Modell

Das Ganze funktioniert sehr zügig: „Wir warnen eine halbe bis eine Stunde, bevor die Pegelmesser im Oberlauf der Flüsse ansprechen können, was bislang die Grundlage für Hochwasserwarnungen war“, so Meetschen – ein Zeitgewinn, der Leben retten kann: „Insbesondere bei den kleinen Nebenflüssen der Agger war bislang eine Hochwasserwarnung kaum möglich“, so Meetschen – anders als beim Rhein, wo sich der Verlauf der Flutwelle anhand der Pegelstände im Oberlauf schon Stunden vorher bis auf wenige Zentimeter genau berechnen lässt. Doch die Überschwemmungsgefahr hängt nicht nur von der Niederschlagsmenge ab, sondern auch von dem Gelände, über dem die Wolken ihre nasse Fracht entleeren. Beim neuen Erft-Projekt setzen die Bonner daher auf ein verbessertes System, das auch topographische Daten mit einbezieht.

„Wir liefern die Information, wo es wie stark regnet, und die Aachener Firma Hydrotec erstellt daraus mit Hilfe eines Niederschlagsabfluss- Modells die Vorhersage“, erklärt Professor Simmer und ergänzt nicht ohne Stolz: „Diese Kopplung mit einem hydrologischen Modell dürfte europaweit einmalig sein, zumindest wenn es um anwendungsreife Systeme geht.“ Finanziert werden beide Projekte über das Staatliche Umweltamt Köln vom Land Nordrhein-Westfalen sowie dem Agger- bzw. dem Erft- Verband.

Blick in die Zukunft

Bald wollen die Forscher auch den Blick in die Zukunft wagen. Ähnlich wie der Radfahrer beim Blick auf den Radarfilm schätzt: „In einer halben Stunde sollte es aufhören zu regnen, dann kann ich losfahren“, wollen sie dazu die Niederschlagsbilder der letzten Stunden in die Zukunft projizieren. „Für Schlechtwetterfronten klappt das ganz gut“, sagt Simmer; „Gewitterzellen verhalten sich leider viel unberechenbarer, da müssen wir noch eine ganze Menge Hirnschmalz investieren.“ Gerade die sorgen oft für sintflutartige Wolkenbrüche, die Bäche und Flüsse binnen Minuten über die Ufer treten lassen können.

Für ihre Prognosen werden die Meteorologen dann auch auf Radardaten des Deutschen Wetterdienstes zurückgreifen. Schon jetzt nutzen sie die DWD-Angebote, um im Falles eines Radarproblems weiter arbeiten zu können. „Um die Reise von Niederschlagsgebieten ausreichend lange verfolgen zu können, müssen wir zudem weiter nach Westen gucken, als wir es mit unserem Gerät können“, so Simmer, der aber für „sein“ Radar eine Lanze bricht: „In den USA setzt man inzwischen als Ergänzung der Niederschlagsdaten immer mehr auf kostengünstige Kleinradargeräte wie unseres, um eine bessere Abdeckung zu erreichen.“

(Universität Bonn, 08.03.2005 – NPO)

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