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Astronomie

Erste „unsichtbare“ Galaxie entdeckt

Bahnbrechende Beobachtung erhellt Rätsel der dunklen Materie

Ellipse zeigt Lage der „unsichtbaren“ Galaxie © University of Manchester / Isaac Newton Telescope

Astronomen haben im Weltall zum ersten Mal ein Objekt entdeckt, das eine „unsichtbare Galaxie“ sein könnte – eine rotierende Massenansammlung, die fast komplett aus dunkler Materie besteht und keine Sterne enthält. Da die hellen Lichtpunkte der Sterne fehlen, konnte der Fund nur mithilfe von Radioteleskopen gemacht werden.

Ein internationales Team von Astronomen aus Großbritannien, Frankreich, Italien und Australien hat die Verteilung von Wasserstoffatomen im Universum mithilfe von Radiowellen untersucht. In einem Galaxienhaufen rund 50 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt, dem so genannten Virgo-Cluster, entdeckten die Wissenschaftler eine Ansammlung von Wasserstoffatomen mit der rund hundert Millionenfachen Masse der Sonne.

Der britische Astronom Robert Minchin von der Cardiff Universität erklärt: “An der Geschwindigkeit, mit der sie sich dreht, erkannten wir, dass VIRGOHI21 tausend Mal schwerer sein musste, als durch die beobachteten Wasserstoffatome allein erklärbar. Wenn es eine gewöhnliche Galaxie wäre, wäre sie ziemlich hell und schon mit einem guten Amateurteleskop zu sehen.”

Alle anderen Erklärungen entkräftet

Bei ähnlichen, schon früher entdeckten Objekten stellte sich bei der späteren Beobachtung mit leistungsstärkeren Teleskopen meist heraus, dass sie doch normale Sterne enthielten. Andere entpuppten sich als die Relikte von Galaxienkollisionen. Doch die Wissenschaftler haben VIRGOHI21 und seinen Umgebung mithilfe des Isaac Newton Teleskops in La Palma genau studiert und dabei keinen Galaxien in der näheren Umgebung entdeckt, die auf eine Kollision hindeuten könnten.

Seit der ersten Beobachtung dieser Region brauchten die Astronomen gut fünf Jahre, um alle anderen möglichen Erklärungen auszuschließen. VIRGOHI21 scheint tatsächlich die erste echte dunkle Galaxie zu sein, die jemals gefunden worden ist. “Wie Sherlock Holmes schon sagte: ‚Wenn man das Unmögliche eliminiert hat, muss das, was übrig bleibt, so unglaublich es auch scheint, die Wahrheit sein’“, erklärt Professor Mike Disney, Mitarbeiter im Astronomenteam.

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Schon seit vielen Jahren deuten Messungen und Beobachtungen darauf hin, dass es mehr Materie im Universum geben muss, als im sichtbaren Licht zu sehen ist. Diese so genannte „dunkle Materie“ birgt jedoch noch viele Rätsel in sich. Eine davon ist die Frage, ob es auch ganze Galaxien aus diesem seltsamen „unsichtbaren“ Stoff gibt. Denn nach der gängigen Theorie zur Entstehung von Galaxien müsste es sehr viel mehr Galaxien im Weltraum geben, als bisher beobachtet werden konnten.

Bedeutende Bestätigung der Theorien

Lovell Teleskop am Jodrell Bank Observatorium © University of Manchester

Die Entdeckung einer Galaxie aus dunkler Materie wäre ein bahnbrechender Schritt für die Astronomie, denn stimmen die bisherigen kosmologischen Modelle, könnte sie sogar die Mehrheit der Masse im Universum ausmachen. Fünf Mal mehr dunkle als normale, sichtbare Materie soll es nach Schätzungen der Astrophysiker geben.

Die Präsenz der dunklen Materie erschließen die Forscher durch ihren Einfluss auf die Bewegungen der sichtbaren Bestandteile des Kosmos. Je schneller beispielsweise die Sterne in einer Galaxie kreisen, desto größer muss die Schwerkraft im Zentrum der Sternenansammlung sein um sie vor dem Auseinanderfliegen zu bewahren. In vielen Fällen reicht jedoch die sichtbare Masse nicht aus. Astronomen schlossen daher auf das Vorhandensein einer nicht sichtbaren Masse, die diese Schwerkraftwirkung ausübt und die Galaxien zusammenhält.

Nach den Vorstellungen der Astronomen bilden sich Galaxien, die ganz aus dunkler Materie bestehen, dann, denn die Materiedichte nicht ausreicht, um die Bedingungen zur Sternenentstehung zu erfüllen. Die Beobachtungen von VIRGOHI21 könnten dies Erklärung unterstützen, denn die „unsichtbaren“ Wasserstoffatome kreisen in einer flachen Scheibe um ein gemeinsames Zentrum und gleichen damit dem Bild einer normalen Galaxie – aber die Sterne fehlen.

“Das Universum birgt noch alle Arten von Geheimnissen, aber dies zeigt, dass wir langsam zu verstehen beginnen, wie wir es betrachten und ergründen können. Es ist eine wirklich aufregende Entdeckung!“

(Particle Physics and Astronomy Research Council (PPARC), 28.02.2005 – NPO)

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